Das anstrengende Leben nach dem Sport

Im DOSB-Mentoring-Projekt erhalten neun ehemaligen Spitzensportlerinnen ein Jahr lang Unterstützung einer erfahrenen Mentorin oder eines erfahrenen Mentors. Im Interview kommen die Teams zu Wort.

Bevor Dana Glöss sich dem Bahnradsport zuwandte war sie Eisschnellläuferin. Foto: picture-alliance
Bevor Dana Glöss sich dem Bahnradsport zuwandte war sie Eisschnellläuferin. Foto: picture-alliance

In puncto Karriereleiter-Know-how gibt es beim Mentoring selbst für Olympiasiegerinnen und Medaillen-Gewinnerinnen viel zu lernen. Der DOSB stellte in seinem Programm „Mit dem gemischten Doppel an die Spitze!“ neun ehemaligen Spitzensportlerinnen ein Jahr lang eine erfahrene Mentorin oder einen erfahrenen Mentor an die Seite, um sie für ehrenamtliche oder hauptberufliche Führungsaufgaben im organisierten Sport zu gewinnen. In unserer Interview-Serie lassen wir die neun Mentoring-Teams zu Wort kommen. Diesmal: Bahnradsportlerin, Europa-Cup-Siegerin und WM-Dritte Dana Glöß und ihr Mentor, das Persön-liche DOSB-Mitglied Christian Breuer

Welche Erkenntnis aus dem Mentoring-Programm hat Sie am meisten überrascht, Frau Glöß?

DANA GLÖSS: Das Treffen mit den anderen Mentees hat mir vor Augen geführt, dass ich mit meiner Situation und dem Gefühl nicht allein bin, nach dem Leistungssport zu wenig Orientierung zu haben. Es ist schon erstaunlich, wie anstrengend es für die meisten ist, sich nach einem Leben als Sportler in der „normalen“ Welt zurecht zu finden.

Was können Verbände tun, damit die „normale“ Welt weniger anstrengend für Athletinnen und Athleten wird, wenn sie ihre Sportlaufbahn beenden?

CHRISTIAN BREUER: Es ist immer wieder erschreckend, wie plan- und orientierungslos manche Athleten am Ende ihrer Karriere in das Leben „entlassen“ werden. Leider nutzt man die Zeit beziehungsweise Verweildauer der Athleten in den Bundeskadern immer noch nicht ausreichend, um sie mit den passenden Werkzeugen auszustatten, die sie zur Aufnahme einer verbandsinternen Aufgabe nach der aktiven Zeit zu befähigen.

Woran mangelt es?

BREUER: Das angehäufte Wissen aus vielen Jahren sollte nicht verloren gehen und daher müssen entsprechende Anreize und das Aufzeigen von Möglichkeiten und Perspektiven während der aktiven Hochphase erfolgen. Kein Unternehmen würde freiwillig Mitarbeiter ziehen lassen, die in ihrem Spezialbereich zur Weltspitze gehören.

Sie sind dem Sport aber trotzdem treu geblieben, oder?

GLÖSS: Ja, ich bin derzeit im Rehasport-Verein PAUL e.V. als Referentin des Vorstandes tätig. An den Wochenenden absolviere ich ein Studienprogramm zum Master of Business Administration (MBA). Bisher unterstütze ich den Rehasport-Verein vor allem durch projektbezogene Beratungen. In dieser Form könnte ich mir auch eine ehrenamtliche Zusammenarbeit mit anderen Sportvereinen gut vorstellen.

Auch Sie, Herr Breuer, sind im Sport geblieben. Gab es in Ihrer Laufbahn als Eisschnellläufer eine persönliche Unterstützung in Form einer Mentoring-Beziehung?

BREUER: Ganz direkt gab es kein echtes Mentoring, so wie ich es heute verstehen würde. Daher habe ich mir Menschen in meinem Umfeld gesucht, die eine Art Mentorenfunktion wahrnehmen konnten und wollten. Zurückblickend hätte ich mir dies sicher gewünscht, da gerade externe Mentoren die Perspektive erweitern und mit anderen Augen auf den sportlichen Alltag blicken. Dies kann einen großen und guten Einfluss auf die Planungen und Vorstellungen von Athleten haben.

Welche berufliche Zukunftsvision hatten Sie vor dem Projekt, welche nun nach einem Jahr Mentoring?

GLÖSS: Meine Vision hat sich im letzten Jahr nicht sehr verändert, ist aber sicherlich um einiges klarer geworden.

Wie sorgt die Methode des Mentorings für mehr Klarsicht?

GLÖSS: Das Mentoring gibt dem Mentee in einem geführten Rahmen die Möglichkeit, über den berühmten Tellerrand zu schauen. Das Besondere hierbei ist, dass die zeitliche Abgrenzung fast die einzige Form der Verbindlichkeit darstellt. Darüber hinaus ist alles möglich, aber nichts zwingend. Wenn ich die Mentoren-Mentee-Beziehung zwischen Christian und mir betrachte, dann verliert selbst die zeitliche Abgrenzung ihre Schärfe. Für uns ist jetzt schon klar, dass wir in den nächsten Monaten noch einige Vorhaben gemeinsam angehen möchten.

BREUER: Ja, wir werden die im letzten Jahr gereiften Ideen fortführen und keinen Schlusspunkt setzen. Mentoring ist besonders, da es keine Einbahnstraße ist. Eigentlich kann ein Mehrwert auf beiden Seiten entstehen, wenn das Tandem gut zusammen passt. Als Mentor kann man im Idealfall genau so viele Gedanken und Ideen nach jedem Gespräch oder Meeting mitnehmen, wie man hoffentlich bei seinem Mentee ausgelöst hat.

Sie sind schon zum zweiten Mal Mentor beim Mentoring-Programm des DOSB – was hat Sie gereizt, wieder dabei zu sein?

BREUER:  Die Begleitung des Programms ist eine spannende Aufgabe, die neue Blickwinkel ermöglicht. Man kann anfangs nicht genau sagen, welche Persönlichkeit im Tandem „zugeordnet“ wird und ob man überhaupt in der Lage ist, etwas in Form des Mentorings entsprechend den Vorstellungen des Gegenübers zurück zu geben. In diesem laufenden Prozess prüft man sich selbst in gewisser Weise auch ab, inwieweit man auf die aufkommenden Fragestellungen passend reagieren kann.

Wie wichtig ist ein Vertrauensverhältnis dabei?

GLÖSS: Um sich zu entwickeln, muss man meist auch unangenehme Themen in Angriff nehmen. Daher ist Vertrauen wohl die wichtigste Basis. Das Mentoring kann nur funktionieren, wenn beide offen und ehrlich, aber auch behutsam miteinander umgehen können.

BREUER: Ich denke, dass es ohne nötiges Vertrauen nicht erfolgversprechend verläuft. Beide Seiten sollen sich ja vertraut sein, um die gesetzten Ziele erreichen zu können. Die Grenzen beziehungsweise welche Bereiche des Lebens man öffnen möchte, kann letztlich durch eine gemeinsame Vereinbarung limitiert werden. Obwohl ich die offene Variante bevorzuge, um wirklich alle Facetten des Austauschs zu ermöglichen.

(Quelle: DOSB-Presse/Michaela Rose (www.MEDIA2MOVE.de))


  • Bevor Dana Glöss sich dem Bahnradsport zuwandte war sie Eisschnellläuferin. Foto: picture-alliance
    Bevor Dana Glöss sich dem Bahnradsport zuwandte war sie Eisschnellläuferin. Foto: picture-alliance