Starke Zeichen zum Weltfrauentag

Im Sport sind Frauen finanziell und medial benachteiligt. Auch wenn es bereits Fortschritte gibt, so bleibt noch einiges zu tun, sagt Autorin Dr. Petra Tzschoppe.

Interview mit Sprinterin Tatjana Pinto (r.) bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2019 in Berlin. Foto: picture-alliance
Interview mit Sprinterin Tatjana Pinto (r.) bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2019 in Berlin. Foto: picture-alliance

Auch im Jahr 2020 gibt es zum Weltfrauentag noch vieles zu sagen. Studien wie der aktuelle Global Gender Gap Report des World Economic (WEF) Forums oder vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin verweisen auf bis heute noch bestehende geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich gesellschaftlicher Teilhabe. Quantitative Analysen dokumentieren auf mehreren hundert Seiten, dass es weltweit die größten Defizite weiterhin in der Politik gibt, doch auch in der Wirtschaft und bei der Bildung besteht noch Aufholbedarf. Für Deutschland konstatiert das WEF eine leicht positive Entwicklung in der politischen Beteiligung von Frauen, aber erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Wirtschaft. Der „Gender Pay Gap“ ist hierzulande stark ausgeprägt, die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern beträgt noch immer mehr als 20 Prozent. Und so finden auch in diversen Reden und in den Medien rund um den 8. März Frauen und ihre Lebenssituation in einem Maß Beachtung, das ihnen ansonsten zumeist verwehrt bleibt. Zahlreiche Texte, etliche Sendeminuten - nur leider mit wenig nachhaltigem Effekt.

Mitunter bewirken klare Gesten mehr als viele, gewiss wichtige und auch richtige Worte. Zwei Beispiele haben erst unlängst vor Augen geführt, wie viel wirksamer es sein kann, nonverbal zu kommunizieren, anstatt viel zu reden. Die amerikanische Demokratin Nancy Pelosi zerriss am Ende der „State of the Union“-Rede Donald Trumps ihre Kopie der Eigenlob-Rede in Stücke. Die Thüringer Linken-Chefin Susanne Hennig ließ, nachdem der FDP-Mann Kemmerich sich mit Stimmen einer Partei zum Ministerpräsidenten wählen ließ, deren Vorsitzender ein Faschist ist, ihren Blumenstrauß vor seine Füße fallen. Zwei Frauen mit wortlosen Gesten demokratischen Widerstands - zwei Aktionen von starker Symbolkraft.

Auch Sport ist prädestiniert dafür, über Zeichen, Symbole, klare Bilder Informationen zu übermitteln und Botschaften zu senden. Aber auch im Sport sind es, wenn nicht gerade der Weltfrauentag den Anlass bietet, zumeist die Männer, auf die geschaut und über die berichtet wird. Auch wenn zahlreiche Fortschritte auf dem Weg zu gleichen Chancen für Frauen und Männer im Sport zu verzeichnen sind, bleibt noch einiges zu tun. Neben einem Gender Pay Gap etwa bei Gehältern für Spielerinnen und Trainerinnen gibt es einen ausgeprägten „Gender Show Gap“. Ins Bewusstsein gerückt wurde der beim DOSB-Kongress „Augenhöhe oder Brustumfang? Geschlechtergerechte Darstellung in den (Sport)Medien“, der im September 2019 in Zusammenarbeit mit dem MDR und dem Verband Deutscher Sportjournalisten in Leipzig stattfand. Frauen finden in der Sportberichterstattung viel weniger statt als Männer, ihr Anteil erreicht häufig nicht einmal zehn Prozent. Zudem wird über Sportlerinnen auch anders als über Sportler berichtet: Männer werden in Bildern überwiegend aktiv in ihren Sportarten dargestellt, Frauen hingegen passiv. Um starke Frauen im Sport mehr als bisher sichtbar zu machen, wurde zum Kongress die Plattform „Brave Stories“ gestartet. Sie wurde von der Produktionsfirma Close Distance Productions gemeinsam mit dem DOSB und der Deutschen Sport Marketing (DSM) entwickelt und zeigt positive Beispiele und Vorbilder für Frauen und Mädchen. 

Ja, Bilder und Gesten können auf einen Blick komplexe Sachverhalte veranschaulichen. So geschehen auch mit dem Foto des Präsidiums des Deutschen Fußballbundes (DFB) nach der Wahl seines neuen Präsidenten, entstanden übrigens exakt am Tag des DOSB-Kongresses. Zu sehen sind sehr viele dunkle Anzügen, dazwischen ein Lichtblick in Sonnengelb: Hannelore Ratzeburg als einzige Frau inmitten von 17 Männern. Diese Bild bedurfte ob der Deutlichkeit keines weiteren Kommentars, es hat aber offenbar den neuen Präsidenten Fritz Keller zu einer bemerkenswerten Einsicht geführt. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ erklärte er: „Wir müssen mit allen Mitteln versuchen, den Frauenanteil in den Führungspositionen unserer Mitgliederstruktur anzupassen“, wenn es gar nicht anders gehe, auch mit einer Frauenquote. Lediglich eine Frau im Präsidium zu haben, sei sehr bedauerlich. „Aber ich kann Sie beruhigen, das wird sich ändern“, versprach Keller. Wir sind gespannt auf das Bild des neuen DFB-Präsidiums und das dann ausgesendete Signal.

Auf ein weiteres Bild mit hoher Symbolkraft dürfen wir uns in diesem Jahr freuen. Bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio wird die Beteiligung von Frauen mit 48,8 Prozent so hoch wie noch nie in der Geschichte der Olympischen Spiele sein. Damit wird das Prinzip Parität bei den Aktiven umgesetzt. Als ausdrucksstarkes Zeichen für gleichberechtigte Teilhabe hat das IOC seine Regeln geändert: ab Tokio 2020 dürfen eine Frau und ein Mann gemeinsam die Fahne ihres Teams tragen. Ein treffenderes Symbol könnte es nicht geben: Geschlechtergerechtigkeit kann verwirklicht werden, wenn Frauen und Männer gemeinsam vorangehen.

(Autorin: Dr. Petra Tzschoppe, DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Interview mit Sprinterin Tatjana Pinto (r.) bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2019 in Berlin. Foto: picture-alliance
    Interview mit Sprinterin Tatjana Pinto (r.), Kameramann und Interviewerin mit Mikrofon bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2019 in Berlin. Foto: picture-alliance