Kick off Veranstaltung in Bayern.
Gender Mainstreaming – ein etwas sperriger Begriff, ein Anglizismus, mit dem so manch einer wenig bis gar nichts anzufangen weiß. Was steckt dahinter? Ganz einfach: das Bemühen um die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen – also auch im Sport.
Ob und wie das Konzept von Gender Mainstreaming in unserer Gesellschaft und speziell im Sport genutzt und eingesetzt werden kann, das beleuchtete eine Talkrunde im Rahmen des Aktionstages „Sport tut den Frauen gut – Frauen tun dem Sport gut“ des BLSV -Frauenbeirates in der Sportschule Oberhaching. Auf dem Podium diskutierten unter der Moderation von Dr. Holger Hettinger (Deutschlandradio Berlin): Dr. Uta Engels (Deutscher Sportbund/Ressort für Präventionspolitik und Gesundheitsmanagement), Günther Lommer (BLSV - Präsident), Gerlinde Kaupa (Vorsitzende des Sportkreises Passau und Drogenbeauftragte des BLSV), Katharina Sauter (Soziologin bei der Fraunhofergesellschaft in München), Leichtathletin Birgit Rockmeier, Petra Sandles (Vizepräsidentin des Landeskriminalamtes) sowie Gerd Tschochohei (Präsident des Bayerischen Handball-Verbandes und kommissarisches BLSV - Präsidiumsmitglied).
„Frauen sind in sportlichen Ehrenämtern zwar nicht unterrepräsentiert, doch je höher die Führungsetage, desto geringer wird ihr Anteil“, auf diesen Punkt brachte Dr. Uta Engels in ihrem Einführungsreferat die Situation im Bayerischen Landes-Sportverband. Ihre Aussage untermauerte sie mit Zahlen: Der Frauenanteil im gesamten organisierten Sport in Bayern sowie bei den Übungsleitern liege jeweils bei rund 37 Prozent, im BLSV - Präsidium mache er immerhin noch über30 Prozent aus, aber bei den 53 Sportfachverbänden gebe es lediglich sechs Präsidentinnen. Und wie erreicht man nun Geschlechtergerechtigkeit? Laut Engels ist eine Doppelstrategie gefragt: Gender Mainstreaming und Frauenförderung nach bewährtem Muster wie zum Beispiel Mentoring, Vernetzung (Engels:„Hier – Schlagwort Vetternwirtschaft – haben Männer den Frauen etwas voraus“) oder Aktionstage „wie diesen in Oberhaching“.
Kurzum:„Gender Mainstreaming kann Frauenförderprojekte flankieren und unterstützen. “Ein ganz entscheidender Aspekt bei Gender Mainstreaming: Geschlechtergerechtigkeit werde als Gemeinschaftsaufgabe und nicht als „Frauenthema oder Sonderthema“ gesehen. Engels:„Alle stehen in der Verantwortung, auch Männer werden mit einbezogen.“ So eröffne Gender Main-streaming gerade auch den Männern, sich mit ihrer Geschlechtsidentität auseinander zusetzen und zeige ihnen neue Möglichkeiten auf. Was kann dies dem Sport bringen? In Vereinen und Verbänden, so Engels, würden neue Formen des Ehrenamtes entstehen. Stichworte hier: flachere Hierarchien, mehr Orientierung an Aufgaben statt an Ämtern, Jobsharing. Um Gender Mainstreaming optimal zu nutzen, müssen Engels zufolge „die unter-schiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen von Frauen und Männern erkannt und in die Arbeitsprozesse integriert werden“. Günther Lommer sieht im BLSV „keine Probleme“ mit dem Frauenanteil: „Mittlerweile sind drei von neun Präsidiumsmitgliedern Frauen.“ Für ihn stellt sich vielmehr die Frage, warum denn Frauen oft „den letzten Schritt ins Ehrenamt auf höchster Ebene nicht wagen“. Es sei ja schließlich nicht so,„dass wir Frauen in diesen Ämtern nicht wollen, aber natürlich muss auch die Qualität eine Rolle spielen. “Lommers Erfahrungen sind nur positiv: Wenn Frauen mitarbeiteten, sei das Klima besser, herrsche ein anderer Gesprächsstil vor. Der BLSV - Präsident ist sich sicher, dass die Diskussion über Gender Mainstreaming seine Wirkung haben werde, auch in den Sportfachverbänden. Und was kann der BLSV tun, damit sich etwas ändert? „Unsere Aufgabe als Dachverband ist es, Stimmung für dieses Thema zu erzeugen“, so Lommer.
Dem kann sich Gerd Tschochohei nur anschließen. Für ihn wäre es „schockierend, ja eine Katastrophe“, wenn man das immense Engagement-Potenzial von Frauen nicht nutzen würde. Sein Credo: „Sport ohne Frauen ist in Zukunft nicht möglich, aber auch die Jugend muss entsprechend eingebunden werden.“ Um eine „sinnvolle Verbandsarbeit“ zu gewährleisten, plädiert er für verstärkte Projektorientierung, „da werden Erfolge schneller sichtbar“. Tschochohei weiß, wovon er spricht: Im Bayerischen Handball-Verband hat man diesen zukunftsweisenden Weg bereits beschritten.
Gänzlich anders sind da die Erfahrungswerte von Birgit Rockmeier, insbesondere mit ihrem Sportfachverband auf Bundesebene: Dort stoße man als Frau häufig auf taube Ohren, habe nur wenig Einfluss. Die noch aktive Sportlerin lässt sich dadurch aber nicht entmutigen und kündigte an, demnächst auf bayerischer Verbandsebene ein Traineramt zu übernehmen. Und wie sieht es in anderen gesellschaftlichen Bereichen aus? „Wir sind auf einem guten Weg“, so Katharina Sauter, bei der Fraunhofergesellschaft sei in den vergangenen 15 Jahren die Zahl der Wissenschaftlerinnen von sechs auf16 Prozent gewachsen. Geschlechtergerechtigkeit sei also „kein Thema, mit dem wir nichts anfangen können“.
Als „Exot in Bayern“ bezeichnete sich Petra Sandles, ranghöchste Polizistin im Freistaat. Frauen müssten es sich „hart erarbeiten“, um in diesem von Männern dominierten Beruf in Führungspositionen zu gelangen. So seien von den 350Stellen im höheren Dienst lediglich sechs von Frauen besetzt. Eine Ursache dafür sieht Sandles durchaus bei den Frauen selbst, die oft „zu wenig selbstbewusst“ Ziele verfolgen würden.
Grundsätzlich zum Thema Geschlechtergerechtigkeit ist sie der Auffassung „dass Frauen dort ihren Beitrag leisten sollten, wo sie sich am wohlsten fühlen“. Großen Nachholbedarf hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit macht Gerlinde Kaupa „in allen Bereichen“ aus. Ihrer Meinung nach „gibt es noch sehr viel zu tun“. Uta Engels sieht zwar schon gute Ansätze und kleine Erfolge, doch dürfe man sich nicht „auf dem bisher Erreichten ausruhen“. Und Günther Lommer plädierte vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft dafür, „dass auch die Sportvereine und Sportverbände umdenken müssen“. Diese Veranstaltung hat sicherlich dazu beigetragen, die Ziele von Gender Mainstreaming zu verdeutlichen. Es ist zu hoffen, dass das Motto des Aktionstages „Sport tut Frauen gut – Frauen tun dem Sport gut“ nicht nur ein Slogan bleibt.
Fotos: BLSV
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