Sport hilft bei der Integration

Wer Migrantinnen zum Sporttreiben animieren und in deutsche Vereine integrieren will, der muss dicke Bretter bohren. Erst etwa 50 der rund 9300 in Hanau lebenden Frauen mit Migrationshintergrund haben der Deutsche Turner-Bund (DTB) und der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) mit ihrem Netzwerkprojekt "Bewegung und Gesundheit - mehr Migrantinnen in den Sport" erreicht.

Copyright: picture-alliance.com
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Doch die Hanauer Beteiligten - das Sportamt, drei Hanauer Vereine und drei Stadtteilzentren - freuen sich über erste Erfolge. "Wir stehen noch am Anfang, das ist ein langer, langer Prozess, diese Frauen zu erreichen", betont Ilse Ridder-Melchers, Vizepräsidentin des DOSB. Sie präsentierte gestern im Rathaus Ergebnisse und Erkenntnisse. Gebündelt und evaluiert sollen sie künftig Vereinen und Verbänden nutzen.

Übungsleiterinnen nannten Beispiele: Kamen Migrantinnen anfangs nur in Gruppen in die Stadtteilzentren, um etwas über die Vorteile von Gesundheit, guter Ernährung und Bewegung zu erfahren, so wurden die Gruppen bald kleiner, und dann traute sich eine Frau auch alleine dorthin. Nahmen viele anfangs nur in Schlappen an Sportkursen teil, kamen sie nach einiger Zeit stolz in Sportschuhen. Sie wissen nun, dass Sport-Funktionswäsche das Schwitzen verringert.

Eine Übungsleiterin machte diese Erfahrung: "Die Frauen lassen noch Mantel und Kopftuch an, wenn sie etwa von der Umkleide über den Flur gehen, aber wenn sie im Übungsraum sind, legen sie diese doch etwas hinderliche Kleidung nach und nach ab. Aber wir fordern sie nicht dazu auf, denn sie tragen die Kleidung aus religiösen Gründen." Doch es herrscht Vertrauen, weil kein Mann die Übungsräume in der Zeit des Trainings betritt - auch nicht der Hausmeister.

Fast die Hälfte aller in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund sind Frauen und Mädchen. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld im Auftrag des DOSB zeigt, dass ausländische Männer meist gut in Sportvereinen integriert sind, Frauen aber nicht. Weniger als ein Drittel dieser Mädchen und Frauen treibt Sport, dabei wünschen sich das rund 45 Prozent. Gefragt sind vor allem Selbstverteidigungskurse, Ballsportarten, Gymnastik, Tanzen und Schwimmen.

Die Realität sieht anders aus: Nur jedes siebte Mädchen mit Migrationshintergrund treibt Vereinssport, von den Zehn- bis Elfjährigen nur 21 Prozent (zum Vergleich: 58 Prozent der deutschen Mädchen). Hier setzt das Projekt an. In Stadtteilzentren bieten Trainerinnen (bevorzugt mit Migrationshintergrund) Kurse wie Mutter-Kind-Turnen, Frauengymnastik und "Dance für junge Mädchen" an. Beteiligte Vereine hoffen, neue Übungsleiterinnen unter den Migrantinnen und passgenaue Angebote für diese potenziellen Mitglieder zu finden.

"Sport plus X" heißt das Ganze, wobei das X für "sportferne" Angebote steht: Infos über das deutsche Gesundheits- und Vereinswesen, Sprachförderung, Bewerbungstraining, Gewaltprävention und Ernährung. Alle Angebote sollen die Migrantinnen besser integrieren. "Die Vereine bieten Kontakte, das ist wichtig für das Leben in einem fremden Land", sagt Ilse Ridder-Melchers. Vereine müssten sich öffnen, das Anderssein respektieren. "Alle können voneinander profitieren, dann läuft die Integration."

Das Projekt mit fünf Sportverbänden an etwa zehn deutschen Standorten förderte das Bundesgesundheitsministerium mit rund 500.000 Euro. Der DOSB und DTB möchten eine Neuauflage.


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