Mädchen am Rio de La Plata in Bewegung

Björn Wangemann, ehemaliger Leiter eines Langzeitprojektes (LZP) des DOSB in der Leichtathletik in Uruguay, hat den Fußballtrainer Knut Auf dem Berge interviewt, der am Rio de la Plata ein Projekt im Mädchen-Fußball leitet.

Die Mädchen vom Rio de la Plata spielen begeistert Fußball.
Die Mädchen vom Rio de la Plata spielen begeistert Fußball.

Wangemann: Also, Knut, ich glaube du bist jetzt schon in der zweiten Halbzeit, denn du warst ja bereits in neun verschiedenen Orten Uruguays  mit dem Kurzzeitprojekt (KZP) ‚ Proyecto Deportivo Alemania – Uruguay 2013’ - Fomento del fútbol femenino - (PDAU) unterwegs. Wie lief es denn bisher?

Auf dem Berge: In diesem Projekt von April - November 2013 zur Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs in Uruguay, das als Kooperationsmaßnahme zwischen dem DOSB, DFB und den Fußballverbänden in Uruguay, der Asociación Uruguaya de Fútbol (AUF) und der Organización del Fútbol del Interior (OFI), konzipiert ist, haben wir bisher sehr viel Interesse feststellen können. Mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die später auch als Multiplikatoren wirken sollen, zeugen von einer großen Basis, auf der man aufbauen kann.

Das ist ja sehr eindrucksvoll. Ich frage mich aber, wieso ein solches Projekt gerade in Uruguay stattfindet. Im Männerfußball spielt Uruguay doch schon seit langer Zeit eine bedeutende Rolle im Weltfußball - denken wir nur an das Spiel um den dritten Platz bei der WM in Südafrika 2010, in dem Uruguay Deutschland nur knapp unterlag.

Ja, es gibt wirklich große historische Erfolge für den Männerfußball in Uruguay. Im Mädchen- und Frauenfußball allerdings spielt dies leider keine Rolle und lässt den Frauenfußball eher in einer Art Schattendasein, aus dem schwer herauszukommen ist.

Kannst du dieses Schattendasein einmal näher erläutern?

Wie auch in vielen anderen Ländern Lateinamerikas stellt sich in der uruguayischen Gesellschaft  die Geschlechtergleichstellung allgemein noch als problematisch dar. Diese Männerdominanz wird auch besonders im Fußball deutlich. In Uruguay gilt der Fußball als ein ausgesprochener Männersport, in dem für viele Menschen die Mädchen und Frauen nichts zu suchen haben.

Wie könnte man dies verändern?

Meiner Meinung nach fehlt in erster Linie eine Entwicklungsstrategie, in deren Rahmen zielorientierte und nachhaltige Schritte zur Verbesserung des Mädchen– und Frauenfußballs im Sinne einer zukunftweisenden Strategie eingeleitet und durchgeführt werden müssen.

War es dir möglich, Anstöße in diese Richtung zu geben?

Dies ist ein besonders Ziel des Kurzzeitprojektes. Es ist uns gelungen - du hattest ja selbst diese Idee eingebracht - in allen Projektorten in Uruguay Frauenfußballkommissionen einzurichten. Diese sind mit den lokale Bedingungen vertraut und können in der Zukunft auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines nationalen Programms der AUF im Mädchen- und Frauenfußball spielen. Hier wirkt sich auch der relativ lange Zeitraum, über den sich dieses Projekt erstreckt, positiv aus: Die Kontinuität der Arbeit gibt mir die Möglichkeit, flexibeler zu agieren und intensiver mit den Beteiligten - auch vor und nach den durchgeführten Workshops - in Kontakt zu sein und zu bleiben.

Zum Verständnis: Erkläre doch bitte noch einmal deine konkreten Zielsetzungen, die Herangehensweise und vielleicht auch den Verlauf eines Workshops.

Das Projekt ist grundsätzlich eine Weiterführung eines schon im Jahre 2011
durchgeführten DOSB Kurzzeitprojektes, das in acht anderen Regionen in Uruguay stattgefunden hat.

... stimmt, da war ich ja selbst begleitend mit dabei.

Ziele sind neben den schon erwähnten die verstärkte Teilnahme von Mädchen und Frauen am Fußball allgemein und auch, dass vorhandene Sportplätze vermehrt auch von Mädchen und Frauen genutzt werden. Für die Wochenendveranstaltungen solltest du dir folgendes Szenario vorstellen: Die dreitägigen Workshops haben sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil. In der Theorie arbeite ich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern neben den allgemeinen Voraussetzungen des Mädchen-  und Frauenfußballs  spezifische Punkte der Trainingslehre heraus. Dieser Workshopteil findet freitags in von den jeweiligen Stadtsportämtern zur Verfügung gestellten Unterrichtsräumen statt. Samstags führe ich mit den Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren eine praktische Beispiel-Trainingseinheit auf dem Fußballplatz durch, die den Trainerinnen und Trainern die Theorie veranschaulicht.

Und Sonntag geht es dann noch einmal auf den Platz?

Ja, am Sonntag gibt es dann für die Trainerinnen und Trainer die Möglichkeit, mit meiner Hilfe diese Inhalte selber praktisch auf dem Fußballplatz mit einer Trainingsgruppe umzusetzen. Nach einer abschließenden Reflexionsphase erhalten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zertifikate zur Erinnerung an die Veranstaltung. Zum Abschluss des Workshops übergeben wir dann der jeweiligen Frauenfußballkommission vor Ort, die während des Wochenendes gebildet wurde, Trainingsmaterialien wie Bälle, Leibchen und Hütchen – natürlich ausschließlich zur Nutzung im Mädchen-  bzw. Frauenfußball - um zumindest eine minimale Ausstattung zu hinterlassen, da es meist an finanziellen Möglichkeiten fehlt.

Du beschreibst, dass die Sportämter Räume zur Verfügung stellen. Gibt es noch weitere Unterstützung von anderer Stelle?

Ja. Es werden Teilkosten des Projektes für Transport und Unterkünfte von OFI und AUF getragen. Zudem koordinieren diese die Einladungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Organisation der Mädchengruppen für den praktischen Teil. Die Arbeit mit den Verbänden ist sehr fruchtbar, da ich schon von Anfang des Projektes an großen Wert auf eine gemeinsame inhaltliche Zusammenarbeit mit den zuständigen Funktionären gelegt habe. Hier kann ich insbesondere die intensive Unterstützung der Präsidentin des Frauenfußballs der AUF Nair Ackermann hervorheben.

In der Vergangenheit haben einige junge Trainerinnen und Trainer aus Uruguay  an einem Ausbidlungskurs für Frauenfussball der Uni Leipzig teilgenommen. Gibt es da einen Zusammenhang mit der Projektrealisierung?

Aber, ja. Alle drei Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieses Ausbildungskurses sind zur Zeit meine Mitarbeiter in den Workshops.

Wie sieht es mit Unterstützung von deutscher Seite aus?

K: Die Unterstützung der Deutschen Botschaft in Montevideo ist beispielhaft. Diese stellte nicht nur ihren Vortragsraum für die Eröffnungsveranstaltung zur Verfügung, sondern sorgte auch für die Verköstigung der Teilnehmer. Auch zeigen der Botschafter Dr. Heinz Peters und die zuständige Referentin Dorothea Wenzel ein ganz persönliches Interesse. So sind wir im ständigen Kontakt. Die Abschlusskonferenz des Projekts wird übrigens ebenfalls in der Botschaft stattfinden. Der DOSB als Auftraggeber spielt für mich eine entscheidende Rolle. Besonders die organisatorische Vorbereitung des Projekts verlief reibungslos und unbürokratisch. Während eines Kurzbesuches im Juni in Deutschland hatte ich erstmalig die Möglichkeit, einen persönlichen Kontakt zu den verantwortlichen Mitarbeitern im Ressort Internationales aufzunehmen. Die Professionalität, die Offenheit und der nachhaltige Ansatz der ganzen Abteilung haben mich sehr beeindruckt. Und nicht zu vergessen deine Einführung in die Zusammenhänge der internationalen Sportförderung der Bundesrepublik und die persönliche Projektbegleitung, die sehr hilfreich ist.

Wie sind die Reaktionen der Beteiligten vor Ort?

Die Beteiligten kommen zunächst mit vorsichtiger Neugier auf das Projekt zu. Meiner Meinung nach stellt eine höchstmögliche Mitarbeit aller Beteiligten in den Workshops, den Vor- und Nachbereitungen einen produktiven Ansatz dar. Ich ermutige natürlich besonders Frauen sich im Fußball zu engagieren. In Uruguay besteht ein großes Interesse an Deutschland und am deutschen Fußball mit seinen Erfahrungen und Erfolgen speziell im Frauenfußball. Nach den Wochenenden gibt es in vielen Gesprächen oft sehr positive Reaktionen und Dank für unsere Unterstützung aus Deutschland in Form dieses Projektes.

Zum Abschluss des Gesprächs interessiert mich noch die geplante Abschlusskonferenz am 21. November. Was ist die Idee und wie soll diese Veranstaltung ablaufen?

Natürlich kann ein KZP immer nur eine Initialwirkung haben. Darum ist die Idee, durch diese erste nationale Mädchen- und Frauenfußballkonferenz, an der alle Regionen Uruguays beteiligt sind, weitere Maßnahmen in der Entwicklung einzuleiten.

Wer wird denn alles eingeladen?

Die Verbände AUF und OFI, natürlich die neu gebildeten Frauenfußballkommissionen sowie Vertreterinnen und Vertreter anderer Organisationen, wie z. B. Vereine, werden an dieser Konferenz teilnehmen.

Welche Themen werden das sein?

Wie bereits erwähnt, findet die Veranstaltung in der Deutschen Botschaft in Montevideo statt. Dort sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer problemorientiert in Arbeitsgruppen spezifische Themen wie Wettkampforganisation und -strukturen, Kommunikation und andere Schlüsselbereiche des Frauenfußballs bearbeiten.  Ich stelle mir vor, dass wir am Ende vielleicht ein Manifest oder einen Forderungskatalog vorliegen haben werden, in dem konkrete Zielsetzungen formuliert sind, die für die AUF möglichst bindend sein sollten.

Dein abschließendes Fazit?

Ich denke, dass erste Schritte mit Hilfe dieses Projektes eingeleitet werden konnten, und ich hoffe, dass die Deutsche Botschaft und die weiteren zuständigen Stellen in Deutschland weiterhin ein offenes Ohr für die Nöte und Belange des Mädchen- und Frauenfußballs auf dieser Seite des Rio de La Plata haben werden.

Knut, ich danke dir für deine interessanten Ausführungen und wünsche dir weiterhin viel Glück  und Spaß bei deiner Arbeit.

Hintergrund:

Das Auswärtige Amt unterstützt im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr auch das Mädchen– und Frauenfußballprojekt in Uruguay, organisiert durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und den Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Der Diplomsportlehrer Björn Wangemann, fast 20 Jahre leitender Direktor für Entwicklung  im Internationalen Leichtathletikverband, ist als Sportentwicklungsexperte seit 40 Jahren im Auftrag nationaler sowie internationaler Sportorganisationen in der ganzen Welt unterwegs. Als ehemaliger Leiter eines mehrjährigen DOSB Langzeitprojektes (LZP) in der Leichtathletik in Uruguay verfügt er auch über ausgewiesene Einblicke in die Sportszene dieses Landes.

Projektleiter Knut Auf dem Berge konnte bereits als Fußballtrainer und Sportentwicklungshelfer in Europa, Afrika und Asien Erfahrungen sammeln.

(Quelle: Wangemann)


  • Die Mädchen vom Rio de la Plata spielen begeistert Fußball.
    Die Mädchen vom Rio de la Plata spielen begeistert Fußball.
  • Knut Auf dem Berge erläutert seinen Spielerinnen die nächste Trainingseinheit.
    Knut Auf dem Berge erläutert seinen Spielerinnen die nächste Trainingseinheit.
  • Björn Wangemann (li.) im Interview mit Knut Auf dem Berge; alle Fotos: Auf dem Berge/Wangemann
    Björn Wangemann (li.) im Interview mit Knut Auf dem Berge; alle Fotos: Auf dem Berge/Wangemann