Lu Röder-Preis für Anja Wolf-Blanke und Sunny Graf

Landessportbund Hessen ehrt Engagement für Frauen im Sport

Foto: LSB Hessen
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Anja Wolf-Blanke, Präsidentin des Hessischen Leichtathletik-Verbands aus Riedstadt, und die Frankfurter Kampfkunstlehrerin Sunny Graff sind die neuen Lu-Röder-Preisträgerinnen des Landessportbundes Hessen (lsb h). Die mit 1.500 Euro dotierte Auszeichnung erinnert an das frühere lsb h-Präsidiumsmitglied und zeichnet Frauen aus, die sich wie einst Lu Röder für die Förderung von Frauen im Sport engagieren. Den Preis des Jahres 2011 übergaben jetzt in Frankfurt der Präsident des Landessportbundes Hessen e.V., Dr. Rolf Müller und die Vorsitzende des Landesausschusses Frauen im Sport (LA-FiS), Beate Schmidt gemeinsam mit dem hessischen Minister des Innern und für Sport, Boris Rhein.

Der Lu-Röder-Preis des lsb h ist eine der wenigen Auszeichnungen bundesweit, die Frauen würdigt, die sich engagiert für die Belange von Frauen im Sport einsetzen. 13 Bewerbungen um den Preis lagen dem Landessportbund in diesem Jahr vor, berichtete Beate Schmidt. Dass man letztlich zwei Frauen geehrt habe, die sich zudem durchaus sehr unterschiedlich für die Belange von Frauen im Sport engagieren, sei nur auf den ersten Blick verwunderlich, so die LA-FiS-Vorsitzende. Bei nährere Betrachtung werde deutlich, dass beide Preisträgerinnen auf ihrem jeweils eigenen Gebiet ganz Besonderes leisteten.

So ist Anja Wolf-Blanke mit Leib und Seele seit mehr als 40 Jahren Leichtathletin und heute Präsidentin des hessischen Fachverbandes. Sunny Graff war „vom ersten Moment an in die Kampfkunst verliebt“ und hat (neben vielem anderem) einen beeindruckenden Verein aufgebaut.

Anja Wolf-Blanke
Anja Wolf-Blanke war als Hochspringerin erfolgreich, mehrfach platziert bei Deutschen Meisterschaften, Deutsche Hochschul-Meisterin 1977. Bestleistung 1,87 Meter. „Doch erst nach dem Ende der Laufbahn wurde mir bewusst, was die Trainer für uns getan haben“, sagt die Lu-Röder-Preisträgerin. Für sie war das der Auslöser, „etwas zurückzugeben an andere“. Die Sportwissenschaftlerin trat 1987 ihr Ehrenamt beim TSV 1899 Goddelau an – als erste und einzige Trainerin unter Männern. Heute ist sie Präsidentin des Hessischen Leichtathletik-Verbands (HLV) und hat „absolute Parität im geschäftsführenden Präsidium“ erreicht. Auf dem Weg an die Spitze des Fachverbands war sie in fast allen ehrenamtlichen Tätigkeiten die erste Frau im Amt: als Leichtathletik-Abteilungsleiterin in Goddelau (1988-1997), als Pressewartin im Leichtathletik-Kreis Groß-Gerau (1989-1998) genauso wie als Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit im Hessischen Leichtathletik-Verband (1991-2007). Nach drei Jahren als Vizepräsidentin wurde sie im Dezember 2007 als erste Präsidentin des HLV gewählt.
Zeit ihrer Funktionärinnenlaufbahn musste sich Anja Wolf-Blanke mit von Männern dominierten Strukturen auseinandersetzen und für die Gleichberechtigung der Frau kämpfen. „Früher hieß es, Frauen können das gar nicht, können keinen Marathon laufen. Dann hieß es, Frauen wollen das nicht. Auch das ist nicht wahr.“ Zu selten würden auch heute noch Frauen gefragt, ob sie Verantwortung übernehmen möchten. In vielen Gremien ist Anja Wolf-Blanke weiterhin die einzige Frau, „auch im Landesausschuss Leistungssport“.
Sie hat sich durchgesetzt, hat im Sport selbständiges und selbstbewusstes Auftreten gelernt, hat einen Mann im Rücken, der die Erziehung der Kinder mit übernahm „und auch mal gesagt hat: ‚Fahr du nur!’“. Sie ist Vorbild gewesen für zahlreiche Frauen, ehrenamtliche Positionen in Vereinen und Verbandsgremien zu übernehmen, und hat bei der Auswahl ihrer Mitstreiterinnen stets ein feines Gespür für Kompetenz und Engagement. Doch nicht das Geschlecht oder eine Frauenquote dürfe in den Vordergrund gestellt werden, findet Anja Wolf-Blanke, sondern allein die Qualifikation.Anfang der 1990er-Jahre war die Abschaffung der Position der Frauenwartin im HLV eine der ersten Maßnahmen, die sie als Funktionärin anleierte, damals zusammen mit der Lu-Röder-Preisträgerin von 2001, Margret Lehnert. Alibi-Funktionen seien nicht angebracht. Anja Wolf-Blankes Motto lautet seit jeher: „Wenn es eine Frau gibt, die fähig ist, eine Aufgabe zu übernehmen, dann gilt es, sie zu ermuntern und zu unterstützen.“

Sunny Graff
Das Herz für Gleichberechtigung auf allen Ebenen hatte die Selbstverteidigungslehrerin Sunny Graff „schon immer“. Mit dem von ihr 1985 gegründeten Frankfurter Verein „Frauen in Bewegung“ engagiert sich die Lu-Röder-Preisträgerin für Migrantinnen, für Frauen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, gegen Rassismus, gegen Gewalt. Mit „Frauen in Bewegung“ hat die Taekwondo-Weltmeisterin von 1979 einen Raum geschaffen, „in dem sich Frauen und Mädchen jeden Alters und gleich welcher Hautfarbe, Nationalität, sexueller Neigung und Religion begegnen und gemeinsam trainieren können“.
Eine Kämpferin ist Sunny Graff seit ihrer Jugend im US-Bundesstaat Ohio. Als sie 17 Jahre alt war, wurde eine Freundin ermordet. „Eine Frauenbewegung gab es damals noch nicht. Ich war wütend und hatte keine Ansprechpartner“, sagt sie im Rückblick.
An der Universität engagierte sie sich gegen den Vietnam-Krieg, später für die Rechte von Frauen. Sunny Graff gründete einen Notruf für vergewaltigte Frauen. Irgendwann kam die Erkenntnis: Ich will nicht nur hinterher laufen, sondern präventiv etwas tun. Sie entdeckte die Welt der Kampfkunst – etwas für Körper, Geist und Seele, sagt sie, etwas, das die Menschen ausgeglichen mache, sie reflektieren lasse. Diesen „Lebensweg“ nutzt sie, „um für soziale Gerechtigkeit zu streiten. Jeder hat seinen Platz in dieser Welt.“
Nach Deutschland kam Sunny Graff als Jurastudentin mit einem Stipendium. Mitte der 1980er-Jahre traf sie dabei in Frankfurt mit ihrem Hobby offenbar den Nerv: „Fast ohne mich zu bemühen, wollten viele Frauen bei mir trainieren.“ Heute hat der von ihr gegründete und weiterhin geführte Verein „Frauen in Bewegung“ 325 Mitglieder, darunter mehr als 180 Mädchen bis 17 Jahre. Angeboten werden Kampfkünste wie Tae Kwon Moo Do und Lapunti Arnis (Stockkampf), Selbstverteidigungskurse, aber auch funktionelle Basisgymnastik. „Mädchen brauchen einen Schutzraum, wo sie sich ausprobieren und ihre Grenzen testen können. Unter Frauen ist dies oft einfacher und ungezwungener möglich als in gemischten Vereinen“, sagt Sunny Graff und scheint dabei unermüdlich: Sie gibt Training, konzipiert Projekte, baut im Verein Präventionskurse auf, leitet „Führungstrainings für Teenager“, bildet europaweit Selbstverteidigungslehrerinnen und -lehrer nach feministischen und anti-rassistischen Grundsätzen aus, engagiert sich beim Frankfurter Frauensportsommer und veröffentlicht Bücher.
Hinzu kommen Funktionen in nationalen und internationalen Kampfkunstverbänden wie dem philippinischen Arnis oder dem koreanischen Hapkido.
Für das Engagement sind sie und ihr Verein bereits vielfach ausgezeichnet worden. Mit dem ODDSET Zukunftspreis (2006) und dem Heinz-Lindner-Preis (2010) des lsb h genauso wie mit dem Els-Schröder-Preis des Deutschen Turner-Bundes (2009) und der Aufnahme in die US-amerikanische Taekwondo Hall of Fame (2009).
Wert legt Sunny Graff darauf, dass sie nicht männerfeindlich ist. „Ich unterstütze Frauen und Mädchen.“ Das eine bedeutet nicht gleichzeitig das andere.

 

 

 


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