"Der Internationale Frauentag hat auch weiter seine Bedeutung"

Am 8. März 2011 jährte sich der Internationale Frauentag zum 100. Mal. DOSB-Vizepräsidentin Ilse Ridder-Melchers hielt dazu die Festrede im Landtag Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Ilse Ridder-Melchers hielt am Internationalen Frauentag eine Rede im Landtag in Düsseldorf. Foto: DOSB
Ilse Ridder-Melchers hielt am Internationalen Frauentag eine Rede im Landtag in Düsseldorf. Foto: DOSB

Auszüge aus der Rede:

"100 Jahre – auf dieses stattliche Alter bringen es die alten und neuen Frauenbewegungen mit diesem 8. März 2011. Die Frauenbewegungen und ihre vielen Mitstreiterinnen haben in diesen 100 Jahren viel bewegt: Sie haben unsere Welt verändert, sie haben mehr Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit erkämpft – für immer mehr Frauen, letztendlich aber für alle, weil der Kampf um Gerechtigkeit nicht teilbar ist.

Wir haben durchaus Grund zum Feiern, denn: die Lücken zwischen „rechtlicher“ und "tatsächlicher" Gleichberechtigung sind in den letzten Jahrzehnten bei uns Schritt für Schritt kleiner geworden.

Wenn wir heute feiern, vergessen wir nicht:

  • Weltweit sind Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzung insbesondere an Frauen und Kindern in Krisengebieten an der Tagesordnung.
  • In viel zu vielen Regionen sind Mädchen und Frauen der Zugang zur Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe versagt.
  • Deshalb hat dieser Tag auch weiter seine Bedeutung als Kampftag für Frieden und Freiheit, für ein Leben in Sicherheit, für gleiche Rechte und Chancen für alle.

Der Erfolg hat bekanntlich immer viele Väter - in unserem Falle sind es vor allem Mütter.

Wir alle werden solche "Mütter" benennen können, aus der Wissenschaft, Wirtschaft aus der Politik, bekannte und weniger bekannte: sie alle gemeinsam haben in diesen vergangenen 100 Jahren viel bewegt, viel vorangebracht. Sie alle sind unsere Vorbilder! Heute haben wir in allen Bereichen Frauen als Vorbilder. Frauen können heute auch Bundeskanzlerin und Ministerpräsidentin!

Im Deutschen Olympischen Sportbund haben wir aktuell zum 100. Frauentag eine kleine Zeit-reise durch die Geschichte der Frauen im Sport gemacht und solche Vorbilder aus dem Sport aufgespürt, viele engagierte und sportbegeisterte Frauen, die in den letzten zehn Jahrzehnten den Sport für Frauen neu definiert haben.

  • Da gab es die Radfahrerinnen, die im Sport auch endlich die Hosen anhaben wollten und gegen den vorgeschriebenen langen Rock in Training und Wettkampf erfolgreich rebellierten.
  • Frauen hielten sich in kaum einem Jahrzehnt an die Männer-Regeln - sie veranstalteten eigene Frauen-Olympiaden, liefen heimlich Marathon und spielten Fußball auf eigene Faust.
  • Kurzum: Sport war auch ein Trainingslager für mehr gesellschaftliche Gleichberechtigung - und die trieben Sportlerinnen quasi im Laufschritt voran.

Vor 100 Jahren erblickte der Internationale Frauentag das Licht dieser Welt. 1911, das war zugleich die Geburtsstunde des gemeinsamen Kampfes der Frauen, ihre staatsbürgerlichen Rechte über nationale Grenzen hinweg in Europa und in den USA einzufordern. Mit einem jährlichen "Kampftag" sollte die Einführung des Wahlrechtes beschleunigt werden. Und mit diesem über nationale Grenzen hinweg gemeinsamen Engagement waren Frauen erfolgreich.

Ich möchte vier Meilensteine nennen, die aus meiner Sicht die rechtliche Gleichstellung mit Riesenschritten vorangebracht haben:

  • das Frauenwahlrecht (als allgemeines, gleiches und geheime Wahlrecht),
  • das Grundgesetz mit Artikel 3 Abs. 2 " Männer und Frauen sind gleichberechtigt."
  • das Ehe- und Familienrecht 1977,
  • das Frauenfördergesetz Nordrhein-Westfalen für den öffentlichen Dienst 1989.

Dieses Frauenfördergesetz (FFG) war nicht nur ein Meilenstein für Nordrhein-Westfalen und für Deutschland. Mit diesem Gesetz haben wir auch europäische Rechtsgeschichte geschrieben und Frauenförderung auf eine rechtlich sichere Grundlage gestellt. Ich kann engagierten Frauen aber auch allen Gegnern von verbindlichen Frauenförderungsregelungen nur empfehlen, bei Bedarf dieses wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofes nachzulesen:

"... selbst bei gleicher Qualifikation die Tendenz besteht, männliche Bewerber vor weiblichen Bewerbern zu befördern; dies hängt vor allem mit einer Reihe von Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen über die Rolle und die Fähigkeiten von Frauen im Erwerbsleben und z.B. mit der Befürchtung zusammen, dass Frauen ihre Laufbahn häufiger unterbrechen, dass sie ihre Arbeitszeit aufgrund häuslicher und familiärer Aufgaben weniger flexibel gestalten und dass sie durch Schwangerschaften, Geburten und Stillzeiten häufiger ausfallen."

Die Richter, es waren ausschließlich Männer, kamen zu dem Schluss, dass aus all diesen Gründen zwei gleich qualifizierte Bewerber unterschiedlichen Geschlechts nicht die gleichen Chancen haben und daher Quotierungs-Regelungen wie im FFG NRW ein Gegengewicht schaffen, damit die in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheit verringert wird.

Das war 1997! Und wie steht es heute um die Quote?

Aktuell wird wieder heftig um die Quote gestritten. Aber auch hier verschieben sich die Grenzen. Nachdem die CSU die Quote durchgesetzt hat, wollen auch die FDP-Frauen nachziehen. Und in der Wirtschaft selbst wird die Zahl der Befürworter einer Quote für Aufsichtsräte und Vorstände größer.

Ernstzunehmende Untersuchungen weisen daraufhin, dass mehr Frauen in der Führung der Unternehmen sich eindeutig auszahlen in Wachstum, Profitabilität und Kapitalmarkterfolg. Führende Unternehmer werben dafür wie René Obermann und Ex-BDI-Chef Olaf Henkel: "Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder – und eine Quote als Signal!"

Andere europäische Länder machen es vor, wie es gehen kann.

Leider ist es uns damals und letztendlich bis heute (noch) nicht gelungen, den negativen Touch, den das Wort "Quote" bekommt, sobald es mit "Frau" kombiniert wird, abzubauen: Frauenquote = Bevorzugung von Frauen ohne Rücksicht auf Qualifikation.

Gerade viele jüngere Frauen fürchten als "Quotenfrauen" und damit als unqualifizierte abgestempelt zu werden. Sie setzen lieber auf ihre eignen Fähigkeiten anstatt die Quote als Schubkraft zu nutzen. Eigentlich schade!

Übrigens: Gegner von Frauenquote haben wenig Probleme mit Männerquoten – auch wenn dabei die Qualifikation etwas ausgehebelt werden muss: Mit ihren besseren Noten belegen Frauen gerade in vielen Numerus-Clausus-Fächern oft über 60 Prozent der Studienplätze. Daher forderte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion unlängst, den Numerus Clausus für Medizin herabzusetzen, damit Männer wieder mehr Chancen beim Medizinstudium bekommen.

Ich bin gespannt, was aus diesem Vorschlag wird!

100 Jahre Internationaler Frauentag: viel erreicht – noch viel zu tun.

Die Forderungen, die z.B. die Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbüros, der Deutsche Frauenrat Hand in Hand mit der deutschen Wirtschaft zum Equal-Pay-Day 2011 fordern, haben es in sich. Sie sind ein Vollzeit - Arbeitsprogramm für Politik und Wirtschaft!

Und sie zeigen, dass Frauenbeauftragte keineswegs überflüssig sind! Sie müssen vielmehr viele solcher neuen Netzwerke knüpfen und Verbündete suchen. Nur dann wird der Internationale Frauentag auch weiter Erfolge aufzeigen können!"


  • Ilse Ridder-Melchers hielt am Internationalen Frauentag eine Rede im Landtag in Düsseldorf. Foto: DOSB
    Ilse Ridder-Melchers hielt am Internationalen Frauentag eine Rede im Landtag in Düsseldorf. Foto: DOSB