Der Blick hinter die Kulissen

Jede Menge Fragen hatten Luidgardis Jendrzej, Ju-Jutsu-Athletin und Christian Breuer, Vorsitzender der Athletenkommission des DOSB und Mitglied des DOSB-Präsidiums, zu Beginn ihrer Mentoring-Partnerschaft – und ein Jahr später einige neue Perspektiven.

Einmal zu den Olympischen Spielen – wohl der Traum jedes Spitzensportlers. Für Sie ging er zumindest als Mentee beim sogenannten Shadowing Ihres Mentors in London in Erfüllung...

Luidgardis Jendrzej: Ja, die Olympischen Spiele von London waren ein einmaliger Einblick in eine Welt, die man normalerweise nur aus dem Fernsehen kennt. Es hat sich angefühlt, als stünde eine ganze Stadt unter einer ganz besonderen Art von Strom, die Sportler aus der ganzen Welt und die Ringe mitbringen. Dazu war es absolut faszinierend, wie stark der Sport international vernetzt ist und wie viele Menschen, die sich bereits kennen, aufeinander treffen. Dieser Einblick hinter die Kulissen war eben nur durch das Mentoring möglich.

 

Neue Einblicke eröffnen neue Perspektiven – welche hat das Mentoring-Projekt aufgezeigt?

Luidgardis Jendrzej: Ich konnte sehr viele Kontakte in und um den Sport knüpfen, die ansonsten sehr schwierig herzustellen gewesen wären. Dazu das Treffen verschiedenster Personen aus Politik, Wirtschaft und Sportverbänden. Das hat meinen Blick auf den Sport und die Perspektiven im Sport verändert. Daraus ergeben sich logischerweise auch wieder neue Perspektiven.

 

Es müssen ja nicht immer die Olympischen Spiele sein. Mit Blick auf Ihre Rolle als Vertreter der Athletinnen und Athleten: Was können Verbände und was kann der DOSB tun, damit sie ihre Spitzensportlerinnen und Spitzensportler nach der aktiven Phase nicht verlieren?

Christian Breuer: Ein Mentoring-Programm kann im Vorfeld des Karriere-Endes ein Mittel sein, aber es gibt vielfältige Möglichkeiten, Athleten in die Verbandsarbeit einzubeziehen. Das wird immer noch viel zu wenig getan. Man kann sogar so weit gehen, Funktionen an Athleten zu übertragen, eben weil sie mitten im Sport stecken. So etwas bindet dauerhaft, denn eine Gewinnung von Aktiven nach dem Karriere-Ende für Aufgaben im Ehrenamt ist äußerst schwierig – wie ein zweiter Anlauf.

 

Was hat Sie selber motiviert, im Anschluss an Ihre erfolgreiche Karriere als Eisschnellläufer noch einmal Anlauf im organisierten Sport zu nehmen?

Christian Breuer: Es war sicher der Drang, meinen Sport oder Sport im Allgemeinen "besser" zu machen. Zukunftsorientierter. Ich habe von Anfang an viel Zeit und Energie in diese Aufgaben gesteckt und dadurch gemerkt, dass sich auch vieles bewegen lässt. Oft nicht so schnell, wie man selbst möchte – aber ab und zu reicht ein Grad Ungemütlichkeit, um Personen und Entscheidungen zu bewegen.

 

Etwas in Bewegung bringen wollten Sie auch als Team – was zeichnet eine erfolgreiche Mentoren-Mentee-Beziehung aus?

Luidgardis Jendrzej: Ich hatte Glück, dass es so "gefunkt" hat und ich ein Jahr voller neuer Eindrücke erleben konnte. Ich hatte selbst keine genaue Vorstellung, wie so ein Mentoring ablaufen kann. Daher war es von der ersten Minute an für mich wirklich wichtig, den Weg durch das Mentoring gemeinsam abstimmen zu können.

 

Christian Breuer: Es kommt immer auf den "Erfolg" an, der am Ende heraus kommen soll. Aber wenn die Chemie zwischen Mentor und Mentee stimmt, bedarf es gar nicht so viel Einfluss auf die Gestaltung, weil sich vieles von allein ergibt. Das war ein großer Vorteil, um das Jahr erfolgreich gestalten zu können.

 

Auch wenn sich die Dinge von alleine ergeben – die To-do-Liste war zu Beginn sicherlich lang...

Christian Breuer: Zuerst einmal musste man sich klar werden, was die Ziele des Mentorings sein sollen und wie man diese am besten abdecken kann. Hinzu kamen Terminplanung und -koordination sowie das Sammeln der ersten Eindrücke aus Sicht des Ehrenamts. Dazu für mich persönlich immer die Fragestellung in meinen To-do's: Was will ich auf welchem Weg vermitteln?

 

Luidgardis Jendrzej: Ja, die To-do-Liste war lang, aber mindestens genau so lang war meine Liste von Fragen und Dingen, die ich wissen wollte. Das Thema ließ mich nicht mehr los und es kamen automatisch immer mehr Fragen hinzu, die beantwortet werden sollten. Aber durch die passenden Gespräche im Mentoring konnte die To-Do-Liste verfeinert werden.

 

Sie engagieren sich bereits ehrenamtlich im Sport – was bringt Ihnen dieses Engagement?

Luidgardis Jendrzej: "Bringen" wird oft mit messbarem Mehrwert in Verbindung gebracht. Für mich persönlich bedeutet es Nähe zu meiner eigentlichen Sportart. Meine Aufgaben als Kampfrichterin im Ju-Jutsu und die Möglichkeit, den Sport anderen zugänglich zu machen, bringen mir einfach Freude.

 

Hat das Mentoren-Dasein ebenfalls für Freude gesorgt?

Christian Breuer: Natürlich! Das Mentoring hat meinen Blick auf die Dinge und meine Herangehensweise an Problemstellungen in Teilen verändert, da man sich ganz anders auf Fragen einstellt, als es bisher der Fall war. Entscheidungen oder Vorgänge einer Person zu erklären, erfordert eben auch das nötige Maß an Reflexion, was während des Mentorings deutlich wird.

 

Als Mentee sind Sie nun flügge – was wollen Sie in Eigenregie auf die Beine stellen?

Luidgardis Jendrzej: Das Jahr hat mich schon in die Richtung geprägt, dass ich im Sport Aufgaben annehmen möchte bzw. etwas Eigenes auf die Beine stellen möchte. Dazu bin und bleibe ich auch mit Christian Breuer in Kontakt. Die ersten Ideen gibt es schon.