Den Doppelpass zwischen Mentee und Mentor spielen

Für Katja Abel, Europameisterschafts-Dritte und Olympiateilnehmerin im Kunstturnen, und den Geschäftsführer der Vereinigung der Sportsponsoring-Anbieter (VSA) Gerd Graus bestand das Mentoring aus einem aktiven Austausch auf Augenhöhe.

Katja Abel
Katja Abel

Auf den Punkt gebracht: Hat sich das Jahr Investment ins Mentoring-Projekt gelohnt?

Gerd Graus: Ganz eindeutig ja. Das Jahr hat mir verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass der organisierte Sport solche Programme ins Leben ruft und weiter ausbaut. Dies gehört zu seiner Verantwortung und ist eindeutig eine seiner Aufgaben. Die Athleten setzen sich für den Sport ein, sind Repräsentanten und Vorbilder. Dafür bringen sie viel Enthusiasmus mit und auch die Bereitschaft, vieles zu opfern. Ihnen dann beiseite zu stehen, wenn es darum geht, den Übergang in das Leben nach der Karriere zu finden, sollte selbstverständlicher Bestandteil der Arbeit im organisierten Sport sein.

 

Katja Abel: Es lohnt sich immer wieder, die eigenen Vorstellungen vom Leben zu vergegenwärtigen und zu visualisieren, um eine Richtung einschlagen zu können. Und sei es über das Ausschlussprinzip. Ich möchte all die Einblicke, die ich durch das Mentoring-Projekt gewonnen habe, die Erfahrungen, die ich sammeln durfte und die Menschen, denen ich begegnet bin, nicht missen.

 

Apropos Menschlichkeitsfaktor: Wie gestaltet man eine erfolgreiche Mentoren-Mentee-Beziehung?

Katja Abel: Es ist zunächst sicherlich nicht ganz unwichtig, dass die Chemie zwischen Mentee und Mentor stimmt, was sich schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen als positiv herausgestellt hat. So konnten wir ganz unverkrampft in das Projekt starten. Je nach Zeit- und Redebedarf haben wir ganz offen und frei heraus Rücksprache gehalten, wenigstens einmal im Monat und möglichst von Angesicht zu Angesicht. Ansonsten haben wir gemailt oder telefoniert. Kurzum: Es hat einfach gepasst.

 

Wenn die Chemie stimmt, ist’s sicher auch für den Mentor eine Bereicherung. Welche drei Dinge nehmen Sie aus dem Jahr mit?

Gerd Graus: Die Erkenntnis, dass ich mich im Lauf der Jahre doch in vielen Denkweisen festgefahren habe, ohne sie in Frage zu stellen, in der Überzeugung, dass sie richtig seien. Die Überzeugung, dass der Sport noch vieles für seine Athleten tun kann. Die Annahme, dass Verbände flexibler werden müssen, wenn es um ihre Athleten geht, dass ein stärkerer Dialog notwendig ist.

 

Für Sie waren die Verbandsstrukturen immer eine Parallelwelt, Frau Abel. Können Sie sich nun vorstellen, selber einmal in dieser Welt tätig zu werden?

Katja Abel: Ja, das kann ich mir sogar gut vorstellen. Besonders spannend und wichtig finde ich dabei den Bereich der dualen Karriere. Das Projekt konnte die Eintrittsbarrieren für mein – wie auch immer geartetes – Engagement im organisierten Sport senken. Die verschiedenen Workshops und Seminare zeigten Zugänge in die unterschiedlichen Bereiche des Sports wie Sportpolitik oder Sportmanagement auf. Diese Transparenz hat meine Berührungsängste herabgesetzt.

 

Dafür haben Sie das Mentoring als Geben-und-Nehmen-Projekt praktiziert...

Katja Abel: Ja, ich habe den Austausch zwischen Gerd Graus und mir sehr auf Augenhöhe empfunden und kann nur hoffen, dass es auch ihm etwas gegeben hat.

 

Gerd Graus: Natürlich! Ich habe das Gefühl, einem Menschen an der Seite gestanden zu haben in einer wichtigen Phase seiner Lebensentwicklung. Einen Menschen getroffen zu haben, den ich zu schätzen gelernt habe, der mir imponiert hat und von dem auch ich vieles lernen konnte. Das Gefühl, meinem Gegenüber etwas geben zu können, das ihm bei seinem weiteren Weg weiterhilft. Eine tiefere Sicht auf das Leben von Spitzensportlern, eine Einsicht, die mir vieles bewusster gemacht hat, die meine theoretischen Vorstellung zum Teil verändert, zum Teil bestätigt hat. Ein hoffentlich noch besseres Verständnis für Spitzensportler.

 

Klingt nach einer Menge Austausch. Die To-do-Liste war zu Beginn sicherlich lang – welche Themen haben das Miteinander bestimmt?

Katja Abel: Ein wichtiges Thema für mich lautete „berufliche Orientierung“. Wo will ich hin, was will ich machen und wie gehe ich es an? Ist der Sport eine Option? In welcher Form? Insofern bestand der Zweck des Mentoring bei mir nicht in erster Linie darin, mit einer bestimmten Funktion oder Position im organisierten Sport vertraut gemacht zu werden.

 

Gerd Graus: Für mich stand die Auseinandersetzung über die Weiterentwicklung von Katja Abel im Vordergrund. Die Diskussion über ihre Vorstellung, das Beleuchten der verschiedenen Möglichkeiten, anregende Diskussionen, welche Abzweigungen machbar sind, welche Optionen zur Persönlichkeit passen. Es hat sich in unserem Zusammenwirken schnell gezeigt, dass es wichtig ist, den Doppelpass zu spielen zwischen Mentee und Mentor, mehr zu diskutieren als nur aufzuzeigen.

 

Dank der regen Diskussionen haben Sie Ihren Berufswunsch noch einmal völlig umgekrempelt und ein Sportpsychologie-Studium begonnen – welche Rolle hat Ihr Mentor dabei gespielt?

Katja Abel: Als ich vor der Wahl stand, mit meinem abgeschlossenen Medienstudium Arbeit zu finden, ein Jahr oder länger auf den Master Medienpsychologie zu hoffen oder mich doch wieder mehr mit dem Bereich Sport zu befassen, habe ich mich mit Gerd ausführlich darüber ausgetauscht und war mir relativ sicher, dass er es nicht für eine fixe Idee meinerseits halten würde. Das war mir wichtig und hat mich letztlich auch darin bestärkt, diesen Schritt zu gehen. Ich habe es keine Sekunde bereut.


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