5. DRV Frauen-Forum vom 6. – 8. November 2009 in Hamburg - Ein Gewinn für die Frauen im Rudersport

Das vieldeutige Stichwort „Gewinnen“ war das Leitmotiv dieses 5. Frauen-Forums. Es ging aber nicht ums Gewinnen IM Sport, sondern um das Gewinnen von Frauen FÜR den Rudersport, insbesondere deren verantwortungsvolle Mitarbeit in Vereinen und Verbänden.

Zu dieser dreitägigen Gewinnaktion gehörte natürlich auch Rudern – eine Fahrt bei bester Novembersonne und vor den Kulissen der Alster auf Einladung des RC Dresdenia bildete einen gelungenen Auftakt.

Auch wenn mit knapp 30 Anmeldungen das Interesse eindeutig hinter den Erwartungen des Ausschusses Frauenrudern zurückgeblieben ist, waren die Themen, die Referentinnen und vor allem, deren Aussagen und Anleitungen ebenso eindeutige Gewinne für die Teilnehmerinnen.

Das Gewinnen begann mit Ilse Ridder-Melchers. Als DOSB-Vizepräsidentin setzte sie die Orientierungen, wie der DOSB im Jahr der Frauen (und danach!) mehr Frauen für den Sport und für eine Mitarbeit im Sport gewinnen will.

„Wir müssen den Kreislauf unterbrechen, dass sich Frauen nicht stark genug fühlen“, forderte sie dazu auf, Führungs- und Rekrutierungs-Strukturen und –Prozesse auf allen Ebenen zu verbessern. Gezielt und geduldig gelte es, die Querschnittsaufgabe Gleichstellung durch Qualifizierungsmaßnahmen voranzutreiben. Es sei belegbar – nicht in jedem Fall, aber statistisch gesehen -, dass Vereine mit höherem Frauenanteil in ihren Vorständen weniger Führungs- und Finanzprobleme hätten.

Ähnlich DRV-Vorsitzender Siegfried Kaidel, der für mehr als ein Grußwort nach Hamburg gekommen war. Er räumte ein:“Wir haben unsere erfolgreichen Frauen zu wenig angesprochen. Wir müssen uns aber alle an die eigene Nase fassen. So erwarte ich auch von Euch eine aktive Mitwirkung.“ So sehr sein Versprechen begrüßt wurde, mehr Brücken zu bauen und auf die Anregungen von Frauen zu hören, so wenig fand sein Vorschlag Beifall, beim nächsten Frauenforum die andere Hälfte des Saales mit Männern aufzufüllen, damit diese sich mal anhören, womit sich Frauen beschäftigen.

Aus der Rückschau lernen
Wer meinte, ein Rückblick in die Geschichte verkläre den Blick in die Zukunft, wurde von Doktorandin Anne Huthmacher eines besseren belehrt. Sie schilderte die historischen Meilensteine der Frauen im Rudersport höchst packend. Nach dem Erreichen der sportlichen Gleichstellung vor nunmehr drei Jahrzehnten gelte es heute, die Schwerpunktaufgaben Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Verein sowie konkrete Erleichterungen beim Zugang zu männerdominierten Bereichen zu lösen.
Man darf gespannt den Abschluss Ihrer Dissertation an der Deutschen Sporthochschule Köln erwarten.

Gewinnen durch Integration und Netzwerke
Integration gehörte zu den wichtigsten Stichworten des Forums. Fatma Keckstein vom Ju-Jutsu-Verband beeindruckte allein durch ihren eigenen Werdegang im Sport. Als Tochter eines Muslimen geboren hat sie alle Stationen und Schwierigkeiten in Familie und Umfeld kennen- und zu meistern gelernt. Selbst in Jahrzehnten werden Muslime in den Rudervereinen eine Minderheit sein, aber mit dem richtigen Verständnis kann es gelingen, auch diese und andere Bevölkerungsgruppen als Minderheiten in den Rudersport zu integrieren. Was bei Ju-Jutsu durch geschickte Netzwerkbildung gelungen ist, sollte im Rudern nicht a priori unmöglich sein.

Um Netzwerkbildung und deren Auswirkungen, um einen Blick über den Tellerrand ging es auch Angela Braasch-Eggert, bekannt als Vorsitzende des DRV-Ältestenrats und Vorsitzende des Deutschen Jugendherbergswerks. Weniger präsent ist schon, dass sie im ganz jungen Alter im Vorstand der Ruderjugend und der Deutschen Sportjugend ihre Spuren hinterlassen hat und als Nachfolgerin der legendären Elfriede Schumann 24 Jahre Vorsitzende des Hamburger Ruderinnen Clubs war. Netzwerke dienen der Entlastung in Krisensituationen, bei der Lösung aktueller Aufgaben. Aber: Netzwerke – auch ein Ruderclub ist ein Netzwerk – brauchen Bekanntheit, Größe und Vielfalt sowie vor allem die Bereitschaft zur Mitarbeit. Wir wissen heute noch nicht, welche Auswirkungen der Infoaustausch über Web 2.0 hat. Versuchen wir es doch einmal mit einem Web 2.0-Tool „Ruderfrauen“. Gesagt getan: Es wurde auf Vermittlung von Stefanie Palfner spontan eingerichtet.

Strategien für die Zukunft
Den Blick über den Tellerrand setzte Dr. Inge Voltmann-Hummes in doppelter Eigenschaft fort: als Schulleiterin des Tagungsorts Gymnasium Hochrad im Hamburger Stadtteil Othmarschen/Klein Flottbeck hatte sie für einen exzellenten und preiswerten organisatorischen Rahmen gesorgt und als Vizepräsidentin des Deutschen Turnerbundes für ebenso ideenreichen inhaltliche Beiträge. Mit drei Kernaussagen animierte sie, in den Workshops Ziel-Strategien für die weitere Frauenförderung zu erarbeiten. Frauenförderung war gestern, Gender Mainstreaming ist heute, Diversity ist die Zukunft. Die drei Spezialgruppen „Leistungsrudern“, „Wanderrudern“ und „Vorstandsarbeit“ entwickelten bemerkenswerte Arbeitspläne und Ziele – es wird sich lohnen, diese in der demnächst erscheinenden Dokumentation nachzulesen.

Das Programm des Frauenforums hatte am Schluss eines jeden Tages einen dramaturgischen Höhepunkt gesetzt: war es am Samstag der Besuch des Caveman im Tivoli (dieses höchst amüsante, aber noch mehr tiefgründig-intelligente Ein-Mann-Stück über die Verschiedenartigkeiten im Denken und Handeln von Mann und Frau, vom Höhlenmenschen bis zu heutigen Beziehungsbefindlichkeiten), so setzte am Sonntag die Unternehmensberaterin Marion Knaths (She-Boss) mit ihren „Spielen mit der Macht“ einen lehrreichen Höhepunkt. Man kann vieles in ihrem gleichnamigen, preiswerten Buch nachlesen, ihre Präsentation kann man dadurch nichts ersetzen. Wer ihre Beobachtungen und Ratschläge beherzigt, dürfte bald zu den She-Bossen zählen.

Die AF-Vorsitzende Heida Benecke fasste den erfolgreichen Verlauf und die spontanen Bewertungen der Teilnehmerinnen zusammen: „Wir haben unsere Zeit und unsere Teilnehmerbeiträge äußert sinnvoll investiert. Wir haben über den Tellerrand gesehen, Strategien und Instrumente an die Hand bekommen, und vor allem: Wir haben uns gestärkt, um die vielfältigen Aufgaben anpacken zu können, statt uns vor ihnen zu scheuen“. Teilnehmerinnen und Referent(inn)en haben ein Stück Netzwerk geknüpft, damit vielleicht schon in absehbarer Zukunft auch im Rudersport die Frauenförderung ein Kapitel der Vergangenheit sein kann, und zwar ein gelöstes, kein verdrängtes.                         

Quelle: Eberhard Wühle