Laudatio
(Laudatorin: Dr. Petra Tzschoppe, DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung)
Liebe Frau Hübscher, liebe Frau Wolf,
was Sie mit dem Projekt: „Prävention -Sexualisierte Gewalt im Sport, Schweigen schützt die Falschen!“ in der Abteilung Hockey im Essener Turner Bund Schwarz Weiss e.V. leisten, hat in seiner Vielschichtigkeit die Jury komplett überzeugt, es ist schlichtweg vorbildlich! Jeder Verein, der eine Anleitung für den Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport sucht, kann diese auf Ihrer Homepage finden. Um den zeitlichen Rahmen der Preisverleihung nicht zu sprengen, kann ich hier nur einige ihrer Aktivitäten herausgreifen: Seit Juni 2018 ist der ETB Hockey Mitglied im QUALITÄTSBÜNDNIS NRW SPORT. Bereits seit Januar 2013 sind sie in der Präventionsarbeit aktiv. Seither haben Sie Ansprechpersonen benannt, Vorstand und Trainer*innen eingebunden, für verantwortliche Betreuer*innnen und Vorstandsmitglieder Schulungen und Seminare angeboten, zudem beziehen Sie mit Informationsveranstaltungen ebenso Eltern sowie Kinder und Jugendliche ein. Dafür nutzen Sie neben der Expertise des eigenen Präventionsteams ebenso die des Landessportbundes NRW und der Sporthochschule Köln. Ehrenkodex und erweitertes Führungszeugnis gehören ebenfalls zu den Standards in Ihrer Abteilung und sie wirken mit Ihrer Arbeit in den gesamten Verein, bis hin zur Satzungsänderung. Auf dieses starke Fundament haben Sie mittlerweile weitere besondere Bausteine aufgesetzt: u.a. das Benefiz-Unicef-Projekt, ein Theaterprojekt und ein Selbstschutzprogramm. Dafür haben Sie sich immer wieder starke Kooperationspartner*innen gesucht, so das Kinderschutzbüro Essen, Unicef Essen, Wing Tsun Kung Fu, das Theaterprojekt „Anne Tore – sind wir stark“, den Westdeutschen Hockeyverband und den Landessportbund. Wir sind wirklich beeindruckt, wie Sie Ihren Verein zu einem sicheren Ort machen! Mein großer Respekt und ein Dankeschön für Haltung und Handeln! Gratulation für den ersten Preis im DOSB-Vereinswettbewerb „Starke Netze gegen Gewalt“ 2020 an die Abteilung Hockey im Essener Turner Bund Schwarz Weiss e.V.!
Interview
(Fragen beantwortet von Roswitha Hübscher)
Sie sind seit vielen Jahren und über zahlreiche Projekte aktiv im Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen (und auch Jungen). Was treibt Sie an zu diesem außergewöhnlichen und umfangreichen Engagement?
Diverse Erlebnisse in meiner Kindheit und Jugend, die ich bei Freunden und auch in der eigenen Familie erfahren habe, haben mich geprägt. „Früher“ sprach man nicht über schlechte Erfahrungen, sexuelle Belästigungen oder Übergriffe, verschwieg das eher. Bemerkungen wie „stell dich nicht so an“ oder „du bist doch selbst „schuld“ waren leider normal. Als heranwachsende fand ich das ganz furchtbar, fühlte mich selbst hilflos. Angst, Unsicherheit oder auch tiefe Traurigkeit erlebte ich bei manchen Betroffenen aber auch damals schon. Es hat mich seitdem immer beschäftigt. Als dann 2011 sexuelle Übergriffe auf weibliche Touristen und auch junge Pärchen in Indien immer häufiger in den Nachrichten zu hören waren, wurde auch erstmals die Öffentlichkeit über den Stand, die Akzeptanz von Frauen und jungen Mädchen alarmiert. Über den DHB (Deutschen Hockey Bund), LSB und WHV wurden Vereine und Bezirke aufgerufen, dieses Thema aufzugreifen und auf die sexualisierte Gewalt, besonders auch im Sport, aufmerksam zu machen. Vielen war bis dahin nicht bekannt, dass es bereits Richtlinien und Arbeitsgruppen seitens des Gesetzgebers gab, auch mir nicht. Das war für mich der Startpunkt endlich etwas gegen diese Ungerechtigkeit unternehmen zu können. Ich suchte im Internet nach Ansprechpartnern, Informationen und übernahm die Anregungen des LSB und WHV. Ende Januar, Anfang Februar 2012 begann ich mit der Präventionsarbeit „Sexualisierte Gewalt im Sport - Schweigen schützt die Falschen“ im ETB Hockey.
Für mich ist dieses Thema keine zeitbegrenzte Aktion, denn es wird immer aktuell sein. Regelmäßig muss jemand die Menschen anstupsen, darauf hinweisen, dass nicht immer alles in Ordnung ist, mir/uns nichts passieren kann. Je schnelllebiger unser Leben wird, desto geringer ist unsere Achtsamkeit. Ich glaube, viele Institutionen müssen hier einharken und sensibilisieren und informieren. Nicht nur Kitas und Schulen, auch Sportvereine sind wichtige Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Sie sollen sich an diesen Orten wohlfühlen und vor allem auch sicher. Wir erwarten Respekt und Akzeptanz, also müssen wir uns das erst einmal verinnerlichen und dann auch vorleben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten im Vorstand und bei den Eltern innerhalb unseres Vereins, habe ich aber auch bereits nach einigen Monaten sehr positive Reaktionen erhalten. Allein die Frage, wie würdest du dich fühlen, wenn… hat althergebrachtes Verhalten in Frage gestellt. Jeder Erfolg macht mich zufrieden und glücklich und das spornt mich an. Ich kann aber nicht Jahr für Jahr immer die gleichen Seminare oder Info-Veranstaltungen anbieten. Das wird langweilig für die angesprochenen und uninteressant. Immer wieder kommen neue Aspekte hinzu die wichtig sind, dazu auch neue Ergebnisse von Studien. Leider werden wir auch mit leichten bis hin zu schwereren Fällen konfrontiert und sammeln so selbst weitere Erfahrungen. Es ist mir ein starkes Bedürfnis, neue und bessere Informationen weiter zu geben. Kinder müssen stark sein, selbstbewusst, nicht egoistisch, sondern offen für Gefühle und ihre Grenzen. Als der WHV mich gefragt hat, ob ich meine Arbeit im ETB Hockey mit den WHV Vereinen teilen möchte, als Vermittler, Ansprechpartner fungieren möchte, war ich zwar zuerst skeptisch, habe mich aber dann doch getraut. Man lernt immer nur dazu … Die ersten Schwierigkeiten verglich ich mit meinen Erfahrungen in meinem Verein und ging demnach ähnlich vor. Einige Vereine waren bereits informiert, viele nicht. Inzwischen sprechen wir offen über das Thema Sexualisierte Gewalt, über Probleme in anderen Mannschaften, was alles dazu beiträgt, z.B. Mobbing, soziale Netzwerke und tauschen unsere Erfahrungen aus.
Ich finde es herrlich, wie offen und ehrlich diese Arbeit inzwischen läuft. Wenn unsere Kinder, Jugendliche, Eltern oder auch Trainer mit Fragen auf mich zu kommen oder vielleicht nur wissen möchten, ob sie richtig reagiert haben, dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Deshalb mache ich weiter, plane bereits dieses Jahr, auch wenn wieder einiges verschoben werden muss. Mädchen und Jungen stark zu machen, ihnen zu zeigen achtsam zu sein, Erwachsene zu sensibilisieren und so manches Schlimme, Verletzungen an Leib und Seele vermeiden zu können, macht mein Leben um einiges sinnvoller.
Welche Erfahrungen/Empfehlungen hinsichtlich Ihrer unterschiedlichen Formate können Sie Vereinen, die sich noch nicht so lange oder erstmals mit der Thematik beschäftigen, mit auf den Weg geben?
Als erstes ist es wichtig sich selbst ein Konzept zu bauen: - was will ich erreichen - was kann ich zeitlich, physisch umsetzen - für wen, welche Gruppe (nur Mädchen, nur Jungen, Kinder und Jugend, Erwachsene, ..) will ich das umsetzen - wer kann mir dabei zur Seite stehen - wo bekomme ich Hilfe, wer beantwortet meine Fragen?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das Internet zwar ein riesiges Spektrum an unterschiedlichsten Informationen hat, aber nichts über persönliche Kontakte und Gespräche geht. Dazu gehören z.B. Kinderschutzbund oder Mädchen-/Frauenräume, Jugendamt und auch Leute, die bereits im kleinen Kreis aktiv sind. Gerne auch Fragelisten erstellen und die Antworten immer notieren. Verschiedene Antworten auf eine Frage helfen dabei das beste für die eigene Arbeit heraus zu finden. Niemals die Arbeit anderer 1:1 umsetzen, das klappt nicht. Anregungen und Ideen erweitern den eigenen Horizont und bringen immer etwas passendes hervor. Fehler oder auch Probleme sind normal und fordern zum Lösen auf, also nicht aufgeben, weiter fragen und informieren bis alles passt. Wenn die Arbeit läuft, immer wieder mit anderen Vereinen oder Gruppen austauschen und auch mit den Teilnehmern, also Eltern, Vorstand, Jugendliche…, reden, Feedback einholen, Kritiken positiv aufnehmen und als Verbesserung annehmen.
Sie haben sich immer wieder starke Kooperationspartner*innen gesucht. Wie funktioniert die Vernetzung und welchen Mehrwert bietet sich dadurch für den Verein?
Wenn man in der Planung sitzt und überlegt, was bisher erreicht wurde, was erneuert und erinnert werden muss und welche Lücken noch da sind, dann fallen einem die Veränderungen im alltäglichen Leben ein, Neues in social Media, Wege zur Selbstständigkeit der Kinder, Auffälligkeiten in den Nachrichten…Zuhören und beobachten der Kinder und Jugendlichen bringt ebenfalls neue Erkenntnisse drüber, wo neue Lücken auftauchen. Dabei geraten wir häufig an unsere Leistungsgrenze und suchen dann gezielt in unserer Nachbarschaft nach geeigneten Partnern, online oder persönl. Tipps. Ich kontaktiere und vereine einen Gesprächstermin.- Bei UNICEF war das anders. Mit unserem Kinderturnier“ Hockeymädchen trifft Hockeyjungen“, der Nachfolger ist das sommerliche Revierkraft Turnier, haben wir jahrelang das Spatzennest in Essen unterstützt. Aber die Spenden fielen zuletzt extrem mager aus. Daraufhin suchten wir bekannte Organisationen. Anfragen an DKMS verliefen im Sande, also suchten wir weiter und sprachen persönlich mit der Essener Geschäftsstelle von Unicef. Mit großer Dankbarkeit war UNICEF dabei. Die Spenden, die wir bisher für Schul- und Schutzprojekte übergeben konnten liegen bei über 6000€. Wie verlinken unsere Homepages und so wirbt der eine für andere. Wir alle erreichen mehr Menschen, dass ist unser aller Nutzen. Dazu natürlich auch Mund-zu-Mund-Propaganda.
Wie werden Ihre Aktionen in der Öffentlichkeit wahr- und angenommen?
Wir setzen bereits die Ankündigungen unserer Aktionen auf unsere Facebook Seite, was ca. 250 FB Nutzer sehen, nach Möglichkeit auch auf unsere Homepage. Während und auf jeden Fall nach diesen Aktionen schreibe ich Berichte für das Radio und die Zeitung. Meistens haben wir Glück und es wird berichtet. Das kommt jedes Mal sehr positiv sehr in der Öffentlichkeit an. Einmal erfahren wir das von unseren Mitgliedern, per What´s App, dann aber von Apotheken-, Supermarktmitarbeitern oder einfach Ansprechen auf der Straße: ich habe gelesen, dass…. Das ist ja super! Was ihr alles auf die Beine stellt! “ Besonders zu dieser Auszeichnung erreichten uns Glückwunsche und „weiter so“ von verschiedenen Institutionen bis hin zum Deutschen Hockeybund.
Seit Juni 2018 ist der ETB Hockey Mitglied im QUALITÄTSBÜNDNIS NRW SPORT, wie kam es dazu und welche Kriterien muss man als Verein erfüllen, um Mitglied zu werden?
Es war eher ein Zufall. Wir haben unsere Arbeit immer weiterentwickelt und ausgebaut. Die wichtigen Kriterien zum Schutz vor Sexualisiert Gewalt im Sport die auch der WHV vorgibt, haben wir umgesetzt. Irgendwann stieß jemand aus unserem Team auf die Broschüre Qualitätsbündnis und stellte fest, dass wir bereits alles bis auf einen Punkt erfüllen. Wir verteilen bei Infoveranstaltungen diese Broschüre, haben das aber nicht auf uns bezogen. Der fehlende Punkt war die Satzung des Gesamtverein. Ich habe 2Jahre gebraucht um die Änderung durchzubekommen. Mit Unterstützung des Stadtsportbundes Köln und des LSB wurde unsere Bewerbung dann sehr schnell angenommen und ausgezeichnet.
Was haben Sie für Pläne mit dem Preisgeld?
Einen Teil des Geldes werden wir für die Neuauflage unseres neuen Hefts „Wir beugen vor“, Präventions-Konzept im ETB Hockey, verwenden. Das ist dringend notwendig. Den größten Teil des Geldes nutzen wir für unsere Kooperationspartner, die nicht über den LSB oder das Qualitätsbündnis unterstützt oder finanziert werde. Das ist in erster Linie die WTKF Schule hier in Essen. In regelmäßigen Abständen telefonieren wir miteinander, aber eine Planung ist wegen Corona leider noch nicht möglich. Klar ist, dass wir unsere Mädchen- und Jungenmannschaften ab 10/11 Jahre bis 14 Jahre komplett schulen lassen möchten, nach Möglichkeit auf unserem Hockeyplatz, aber auch in den Räumen der Schule. Angedacht sind jeweils 2x 2,5 Stunden mit jeweils max. 10 Kindern. Anschließend richten wir dieses Angebot an die Jugendlichen über 14 Jahre.