Starke Frauen im Sport: Mutter Couragiert

Müsste man ihr einen Titel verleihen, würde „Mutter Couragiert“ wohl passen. Denn Bärbel Jensch zeichnet sich in erster Linie vor allem durch ihr unerschrockenes Engagement für Menschen jeder Altersklasse, Couleur und Schicht aus.

„Im Grunde habe ich einen sportlichen Sozialarbeiter-Job“, schmunzelt Bärbel Jensch. „Mir ist in unserem Verein die herzliche Aufnahme aller Menschen aus den verschiedensten Ländern wichtig. Es ist ein großes Projekt, gegen die immer noch vorhandene Abgrenzung Fremder oder Behinderter anzugehen.“ Dabei geht die ehrenamtliche Abteilungsleiterin Leichtathletik und erste Vorsitzende des ASV Berlins unkonventionelle Wege. Als der Verein vor einigen Jahren nur noch zwei Leichtathletik-Kinder trainierte, zog sie wider den Mitgliederschwund eigenhändig durch ihren Bezirk Moabit-Mitte, in dem viele ausländische Mitbürger leben. Sprach mit Direktoren in Schulen, Eltern auf Spielplätzen und verteilte Handzettel auf der Straße und in Briefkästen. Dank dieser Werbeaktion toben sich mittlerweile nicht nur rund 80 Kinder auf der Tartanbahn aus, sondern auch deren Eltern.

 

Denn Bärbel Jensch möchte nicht nur Kinder in Bewegung bringen, sondern ganze Familien: „Wir wollten nicht, dass die Mütter ihre Kinder zum Training bringen, dann zuschauen und eine Tasse Kaffee trinken. Also haben wir auch die zum Sport aktiviert.“ Der Trick: Im Rahmen der Frauensport-Aktionswochen des DOSB dürfen die Mütter seit zwei Jahren kostenlos Sport treiben, wenn die Kinder im Verein angemeldet sind. So findet zeitgleich mit dem Kindertraining auch immer eine Gymnastik- oder Rückenschulstunde für Erwachsene statt. Zudem gibt’s zahlreiche kostenfreie Aktionen wie 3.000-Schritte-Spaziergänge, die Bärbel Jensch als „Heimatführungen“ veranstaltet „Viele könnten sich solche Kurse sonst nicht leisten und in diesen Fällen wedele ich nicht mit dem Beitrittsformular“, sagt die 59-jährige. Doch selbst der Beitrag für die Kinder ist insbesondere für viele ausländische - aber auch manche deutsche - Familien oft nicht finanzierbar. Ein Sportsponsoring der besonderen Art gibt’s deshalb außerdem beim ASV: Mit nur sechs Euro im Monat kann man eine Sportpatenschaft für ein Kind übernehmen.

 

Mittels solcher Aktionen hat Bärbel Jensch es geschafft, ein multikulturelles Miteinander im Verein gegen jeden Trend zu etablieren. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge ist nur etwa jede 50. Frau mit Migrationshintergrund Mitglied in einem Sportverein. Der ASV bringt’s bei den Kindern auf eine „Ausländer-Quote“ von beachtlichen 80 Prozent, ihre Eltern sind zwar nicht unbedingt zahlendes Mitglied, nehmen aber trotzdem Teil am Vereinsleben. Ob Kongo, Kamerun oder Kroatien, Spanien oder Sri Lanka, Usbekistan oder USA - die verschiedensten Nationen finden eine Gemeinschaft in ihrem familiären Kiez-Verein. „Es ist ein Netzwerk der Hilfe zwischen deutschen und ausländischen Sportlern und Eltern entstanden und diese Integration hilft auch in Lebensbereichen außerhalb des Sportplatzes“, erklärt Jensch. „Da unterstützt man sich schon mal gegenseitig bei Umzügen oder Computerproblemen. Gerade für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, ist es wichtig, sie nicht als Außenseiter zu behandeln, sondern sie anzunehmen wie sie sind.“ Im Netzwerken findet die Berlinerin ihr persönliches Glück: „Man muss die Menschen als auch den Sport lieben und konstant dabei bleiben, denn die Vernetzung dauert Jahre. Dafür braucht man Ausdauer und Kraft - wie im Sport.“ Und wohl auch ein Quentchen Courage...