Frauenvollversammlung Schwerin 2005

Schwerin war eine Reise wert: Zu diesem Urteil kamen die meisten Teilnehmerinnen der 32. Vollversammlung des Bundesausschusses Frauen im Sport am Ende ihrer Tagung. Das lag nicht nur an den ausgezeichneten Gastgebern: Der Landessportbund Mecklenburg-Vorpommern hatte mit Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider eine Schirmherrin gefun-den, die den Sport nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis unterstützt. Und auch Sozialministerin Marianne Linke zeigte im Schweriner Schloss ihre Sympathie für sportliche Anliegen.

Der Schweriner See lag im Nebel, als die Vorsitzende des Bundesausschusses, Ilse Ridder-Melchers die Delegierten im Tagungshotel Crowne Plaza begrüßte. „Die Zukunft des Sports gestalten“ war das Thema dieser Vollversammlung, die vielleicht – so unkten einige der Frau-en - die letzte gewesen sein könnte. Denn das Thema Fusion schwebte wie ein Damokles-schwert an diesem Vormittag über der Vollversammlung. Was wird der Zusammenschluss zwischen Nationalem Olympischen Komitee und Deutschem Sportbund für Folgen haben?
Mit vielen Fragen im Gepäck waren die Frauen angereist. Und hofften nun, dass sich nicht nur der Nebel über dem See, sondern auch in Sachen Fusion lichten würde. DSB-Präsident Manfred von Richthofen sorgte dann mit überraschender Deutlichkeit für klare Sicht. Viel-leicht hat er sich an Friedrich Nietzsche orientiert, als er dann mit Zuckerbrot und Peitsche den Frauen den Fusionskurs erläuterte.
Natürlich sieht der Präsident die Frauen als „Aktivposten der Sportbewegung“ und schätzt ihr Engagement hoch ein. „Zwischen Tradition und Trend präsentieren sich die Frauen auf her-vorragende Weise. Dies alles schließt natürlich weitere Verbesserungen gerade im Sinne der Gesamtheit des organisierten Sports nicht aus. Und daran sollten wir zielstrebig und gemein-sam zusammenarbeiten. Denn auf den Frauen im Sport ruhen weit über Mitgliederentwick-lungen hinaus große Zukunftshoffungen. In dieses Bild passt auch der Anspruch der Frauen auf angemessene Berücksichtigung ihrer Interessen bei den Bemühungen um eine neue Dach-organisation des Sports.“
Dass Richthofen der Sache der Frauen schon immer positiv gegenüber steht, sich immer - auch bei Bitten aus der Basis – persönlich für Frauenanliegen stark gemacht hat, dass wissen die weiblichen Delegierten. Dennoch – im Bereich der Fusion sind nicht alle Wünsche zu erfüllen. „Denn Konzentration der Kräfte heißt natürlich auch Verschlankung, Gremien-Reduzierung, Aufgaben-Verlagerungen und hier und da sogar Verzicht“, machte Richthofen deutlich.
Gleichzeitig gesteht der DSB-Chef aber den Frauen Sonderrechte zu, denn er kennt ja nicht nur „seine Frauen“, sondern auch „seine Männer“: „Die Sonderstellung der Frauen ist in zent-ralen Punkten zur Zeit noch unverzichtbar, weil der Gleichstellungsprozess noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann.“ Nun sind in der neuen Satzung eine Vizepräsidentin Frauen, das Ziel Gleichstellung umzusetzen, Vollversammlung und Antragsrecht vorgesehen. Aber keine Quote und kein Bundesausschuss mehr.
Kampflos wollten die Frauen nun ihre Forderungen nicht aufgeben. Und seit langer Zeit wur-de einmal wieder richtig diskutiert. Gremienarbeit, also etwa in einem Bundesausschuss, sei wichtig. Ohne dies wäre effektive Arbeit gar nicht möglich, waren sich etwa Inge Voltmann-Hummes (Deutscher Turner-Bund) und Marion Hornung vom LSB Berlin einig. Silvia No-wak vom LSB Schleswig-Holstein, brachte zum Ausdruck, was nicht nur die Landessport-bundpräsidenten in den letzten Tagen in Rage brachte: „Warum muss alles unter diesem Zeit-druck ablaufen?“ Und auch die Frage, was denn nun das NOK eigentlich aufgeben müsste, beschäftigte die Frauen. Die Zeitschiene, dass machte Richthofen deutlich, ist aus seiner Sicht nicht zu kippen, vor allem, „weil man so eine Geschichte tot diskutieren kann. Und ich möch-te mir dieses Gequatsche ersparen. Alle müssen sich über die Konsequenzen im Klaren sein, wenn die Fusion nicht klappt. Dann steuern wir auf eine Spaltung des Sports zu.“
Kompromissbereitschaft ist deshalb angesagt. Die signalisiert auch der Präsident des gastge-benden LSB, Wolfgang Remer. Und die Frauen erkennen den Ernst der Lage, zeigen sich bei ihrem Votum über ihren Fusions-Antrag, der einstimmig angenommen wird, verantwortungs-bewusst: Sie verzichten auf die verbindliche Quote.
Dass Ilse Ridder-Melchers sich als zähe Verhandlungspartnerin gezeigt hat und durch ihren Einsatz zusammen mit dem Ausschuss und den hauptamtlichen Mitarbeiterin Pia Zufall und Ingrid Neuhaus das Machbare für die Frauen im Fusionsprozess herausholte, betonte der Prä-sident. “Sie lässt keine Gelegenheit aus, sich vehement für die Geschlechter-Gleichstellung einzusetzen. Und das immer in einem guten Klima und mit großer Offenheit – auch, wenn wir nicht immer einer Meinung sind.“
Bei soviel Lob mochte Ilse Ridder-Melchers nicht zurückstehen. „Der Präsident hat uns schon immer unterstützt, und auch bei der Fusion stand er an unserer Seite. Wir haben uns ja nicht aus Gründen des Selbstzwecks so ins Zeug gelegt, sondern für den Sport.“
Aus Sicht der Frauen kann die Fusion starten. „Aber leisten Sie nun in ihren Verbänden noch Überzeugungsarbeit“, forderte der Präsident die Delegierten auf. Außerdem schlug er vor, 2007 auf dem Bundestag der neuen Organisation ein sportpolitisches Signal zu setzen, indem man ihn als Frauen-Bundestag gestaltet. „Das wäre nicht nur für die Frauen, sondern auch für den Sport eine Chance, Zukunftsweichen zu stellen.“
„Sport tut Frauen gut – Frauen tun dem Sport gut“ ist die Kampagne, die im letzten Jahr in Ingolstadt auf der Vollversammlung gestartet wurde. Das Fazit nach einem Jahr ist durchweg positiv: Sie kommt an – nicht nur bei denen, die schon im Verein sind, sondern auch bei de-nen, die gerne zur Bewegungseinsteigerin werden wollen. Bei so viel Erfolg ist eine Fortset-zung die logische Folge.
Die Zukunft des Sports gestalten – die Frauen sind dabei. Das haben sie in Schwerin diesmal eindeutig signalisiert. Insofern war Schwerin wirklich eine Reise wert.
Bianka Schreiber-Rietig

 

Downdload: Beschluss der Vollversammlung 2005 in Schwerin