Bilanz des „Jahres der Frauen“

Das Jahr 2009 war für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) das „Jahr der Frauen im Sport“. Was hat es gebracht? Und wie geht es weiter? Mit Ilse Ridder-Melchers, DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung, sprach Michaela Rose.

DOSB-Vizepräsidentin Ilse Ridder-Melchers
DOSB-Vizepräsidentin Ilse Ridder-Melchers

DOSB PRESSE: Das „Jahr der Frauen im Sport“ ist vorüber – hängen Sie Ihren Job nun an den Nagel?

ILSE RIDDER-MELCHERS: Mitnichten, wir haben zwar viel bewirkt, aber die angestrebte Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Ebenen unserer Sportorganisationen haben wir längst noch nicht erreicht. Es tummeln sich noch verdächtig viele Männer auf den Vorstands-Spielfeldern! Außerdem muss das in Zukunft schneller gehen, Schneckentempo passt überhaupt nicht zum Sport. Die uneingeschränkte Partizipation von Frauen ist unser Ziel und dank zahlreicher Frauenförderungsmaßnahmen auch realistisch und sogar überlebenswichtig für den Sport.

DOSB PRESSE: Heißt das, ohne Frauen ist unser Sportsystem zum Scheitern verurteilt?

RIDDER-MELCHERS: Sicher. So zeigt der aktuelle Sportentwicklungsbericht mit brisanter Deutlichkeit, dass diejenigen Vereine und Verbände am erfolgreichsten sind - und das auch aus wirtschaftlicher Sicht -, die sowohl einen hohen Anteil an Sport treibenden Frauen als auch an weiblichen Vorstandsmitgliedern aufweisen. Kurzum: Stimmt die Frauenquote, stimmt’s auch in der Vereinskasse. Das ist nicht unerheblich für die Existenz eines Sportvereins im Jahre 2010.

DOSB PRESSE: Was bringt es, wenn eine Chefin in der sportlichen Führungsetage sitzt?

RIDDER-MELCHERS: Eine Frau führt anders – oftmals mit einem Schuss Intuition. Frauen bringen neben ihrer fachlichen Qualifikation auch eine hohe soziale Kompetenz mit. Weibliche Führungskräfte legen mehr Wert auf ein sachdienliches Miteinander als auf ein kräftezehrendes Gegeneinander. Um Frauen darin zu bestärken, unterstützen wir sie auch dieses Jahr mit den Führungstalente-Camps. Dort vermitteln wir nicht nur kommunikatives Fingerspitzengefühl und rhetorische Ellenbogentaktik, sondern ermutigen Frauen zu persönlichem Führungsstil.

DOSB PRESSE: Warum brauchen Vereine und Verbände da immer noch Nachhilfe?

RIDDER-MELCHERS: Weil es einen langen Atem braucht, um ein in der gesamten Gesellschaft traditionell verankertes Bewusstsein und Verhalten zu verändern. Es ist zwar in vielen Köpfen angekommen, Frauen und Männer in allen Bereichen gleichzustellen, aber im praktischen Leben noch nicht selbstverständlich. Der DOSB fördert unterschiedliche Maßnahmen und hat mit seinem Verbandswettbewerb „Frauen an die Spitze“ viel Bewegung in die Mitgliedsorganisationen gebracht. Allerdings wünschen sich gerade unsere Mitgliedsorganisationen eine Beratung, die sie bei dieser Arbeit unterstützt. Deshalb werden wir den Wettbewerb 2010 zuspitzen.

DOSB PRESSE: Ein langer Atem, der auch den Sportlerinnen zugute kommt?

RIDDER-MELCHERS: Natürlich haben wir die weiblichen Mitglieder in den Vereinen im Fokus, aber auch die sportlich nicht-aktiven Frauen außerhalb von Sportplätzen und Turnhallen. Auch 2010 wollen wir mit vielen Vereinen attraktive Bewegungsangebote mit den Frauen-Sport-Wochen schaffen, wir wollen Mädchen und Frauen mit Selbstverteidigungs-Schnupperkursen in der Anti-Gewalt-Kampagne stark machen und die Zugangsbarrieren für Migrantinnen zu den Sportangeboten beseitigen. So wollen wir unser Ziel „Sport für alle Frauen“ erreichen.


  • DOSB-Vizepräsidentin Ilse Ridder-Melchers
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