"Na, ob die das hinbekommt?"

Sportsoziologin Petra Tzschoppe sagt, wieso Frauen selten Männerteams trainieren und ob es eine Frauenquote braucht.

Petra Tzschoppe, 54, ist Dozentin für Sportsoziologie an der Universität Leipzig und Mitglied des Präsidialausschuss Breitensport/Sportentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes, Foto: privat
Petra Tzschoppe, 54, ist Dozentin für Sportsoziologie an der Universität Leipzig und Mitglied des Präsidialausschuss Breitensport/Sportentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes, Foto: privat

Silvia Neid als Nachfolgerin von Joachim Löw? Unwahrscheinlich. Eine Frau als Trainerin bei den Eislöwen? Hat es noch nie gegeben. Frauen, die Männer im Profi-Handball coachen? Noch nie gehört. Es ist auffällig, dass so gut wie keine Trainerin im Spitzensport ein Männer-Team betreut.

Sylvia Roll ist da beim Volleyball-Club Dresden eine Ausnahme. Welche Erklärung es für dieses Phänomen geben könnte, analysiert Petra Tzschoppe im SZ-Interview. Die Sportsoziologin verlor kürzlich die Wahl zur Präsidentin des Landessportbundes Sachsen - gegen einen Mann.

*Frau Tzschoppe, warum trainieren im Profisport extrem wenig Frauen Männermannschaften?*

Insgesamt arbeiten weitaus weniger Frauen im Trainerberuf. Eine Studie, die schon etwas älter ist, besagt, dass nur 13 Prozent aller Trainer im Leistungssport Frauen sind. Das hat auch mit dem Rollenverständnis zu tun. Ich sehe es auch bei uns an der Fakultät in Leipzig: Für die Richtung Leistungssport entscheidet sich schon ein viel größerer Anteil männlicher Studenten.

 *Warum?*

Weil schon davon ausgegangen wird: Für Männer ist da ein Unterkommen, Frauen trauen sich weniger. Somit steht schon ein größerer Pool an Männern zur Verfügung. Leistungssportler werden übrigens auch häufiger animiert, die Trainerkarriere einzuschlagen. Das passiert bei Sportlerinnen nicht oft. Bei den Männern gibt es natürlich mehr Vorbilder, denen sie nacheifern können. Für eine Studentin ist es schwerer zu sagen: So wie die will ich das auch mal machen. Es fehlen diese Rollenvorbilder.

 *Wie könnte man das ändern?*

Schon in der Ausbildung müsste man Frauen gezielt ansprechen und fördern. In den unteren Ausbildungsgängen, also bis Trainer C, gibt es noch relativ viele. Aber je weiter das nach oben geht, desto weniger Frauen findet man.

*Gehen wir mal davon aus, eine Frau hat entsprechende Qualifikationen:
Ist es für sie trotzdem schwieriger, in den Profibereich zu kommen?*

Es ist schon so, dass man bei den Männern davon ausgeht: Ja klar, die sind kompetent. Bei Frauen herrscht eine gewisse Skepsis, so eine Annahme von Inkompetenz - na, ob die das hinbekommt? Es würde keiner in Zweifel stellen, dass ein Mann sowohl eine Männer- als auch eine Frauenmannschaft trainieren kann. Eine Trainerin dagegen steht unter zusätzlichem Druck, sie muss beweisen, dass sie es drauf hat. Das sind Zugangsbarrieren, die dazu führen, dass wenige Frauen im Spitzensport und erst recht in einem Männerteam arbeiten.

*Strahlen Frauen im Sport weniger Autorität aus als ihre männlichen Kollegen?

Das hat wieder mit Rollenerwartung zu tun. Jemand, der eine Führungsposition hat, der Macht ausübt - das ist was Männliches. Mit der Faust auf den Tisch schlagen, sich durchsetzen, in der Kabine auch mal brüllen, das machen nur Männer.

*Müssen Frauen dennoch härter wirken, um anzukommen?*

Meine Auffassung: Das ist Quatsch. Entscheidend ist die Kompetenz und welchen Führungsstil man hat. Es würde überzogen wirken, wenn Frauen mit einer übertriebenen Härte durchgreifen wollen. Aber ich finde das auch bei Männern übertrieben.

*Kann zumindest eine außergewöhnliche Sportlerkarriere wie bei Sylvia Roll auch im Trainerberuf helfen, wenn es um Akzeptanz geht?*

Das kann helfen, indem man seinen Status mit den internationalen Erfolgen aufwertet. Aber da fallen mir Gegenbeispiele ein, wie Eiskunstlauf-Trainerin Jutta Müller, die selbst nie so erfolgreich war wie ihre Meisterschülerin Katarina Witt. Oder umgekehrt Lothar Matthäus, Fußball-Rekordnationalspieler, als Trainer wird er wohl kein Großer mehr werden. Neben dem methodischen braucht man auch das pädagogische Wissen, um als Trainer erfolgreich zu sein. Egal, ob als Mann oder Frau.

*Im Frauenfußball arbeiten vergleichsweise viele Frauen erfolgreich als Chefcoach, an der Spitze Bundestrainerin Silvia Neid. Woran liegt das?*

Das hat damit zu tun, dass Frauenfußball relativ spät salonfähig wurde und international den Durchbruch geschafft hat. Anders im Handball oder Volleyball - da haben sich die Männer schon viel früher im Trainerbereich etablieren können.

*Wie sieht es in anderen Ländern aus?*

In Fragen der Emanzipation sind die skandinavischen Länder führend und haben für Gremien im Sport eine Quotenreglung. 40 Prozent Frauen müssen an der Entscheidung beteiligt sein. Inwieweit sich das auf den Trainerberuf auswirkt, kann ich aber nicht sagen.

*Bei der Neuwahl im Landessportbund haben Sie selbst Klüngelei erlebt.

Es heißt, Sie hatten keine reelle Chance. Lag es daran, dass Sie eine Frau sind?*

Möglicherweise auch. Es gibt im aktuellen Präsidium auch traditionelle, gestandene Funktionäre, die sich nicht vorstellen können, eine Frau als Präsidentin zu haben. Es waren aber hauptsächlich politische Gründe. Ich habe mich für die Autonomie des Sports ausgesprochen, für die politische Neutralität. Das ist ein Grundprinzip des organisierten Sports in Deutschland, aber offenbar in Sachsen nicht immer.

*Zum Grundprinzip Gleichberechtigung: Fühlen Sie sich denn als Funktionärin im Sport gleichberechtigt?*

Es kommt darauf an, in welchen Gremien man arbeitet. Im Präsidialausschuss des Deutschen Olympischen Sportbundes ist eine große Sensibilität zu verzeichnen, was das gleichberechtigte Zusammenarbeiten betrifft, auch beim Zugang zu Führungspositionen. Das ist nicht überall so.

*Können Sie das belegen?*

Von den 62 Spitzenverbänden in Deutschland gibt es 22, die keine Frau im Präsidium haben, also mehr als ein Drittel. Der Frauenanteil in den Präsidien liegt bei 13 Prozent, bei den Landessportbünden bei 19 Prozent. Das ist auch nicht besonders viel, wenn man davon ausgeht, dass 40 Prozent aller organisierten Sportler Frauen sind.

*Wie sieht es in Sachsen aus?*

Sachsen steht auf dem Abstiegsplatz. Der Anteil Frauen im LSB-Präsidium liegt gerade mal bei 12,5 Prozent. 14 Männer und nur zwei Frauen. Nur noch die Bayern mit 16:1 unterbieten das.

*Sind Sie für eine Frauenquote im Sport?*

Es gibt schon über einen längeren Zeitraum Projekte, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wenn man genauer hinschaut, hat das nicht wirklich was gebracht. Deshalb ist Stand der Diskussion, und dem schließe ich mich an, dass man über eine bestimmte Zeit mit einer Quote arbeiten kann.

Petra Tzschoppe, 54, ist Dozentin für Sportsoziologie an der Universität Leipzig und Mitglied des Präsidialausschuss Breitensport/Sportentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes

Das Interview wurde in der Wochenendausgabe der Sächsischen Zeitung am 28./29. Dezember 2013 veröffentlicht. Das Gespräch führte Michaela Widder.

 

(Quelle: DOSB)


  • Petra Tzschoppe, 54, ist Dozentin für Sportsoziologie an der Universität Leipzig und Mitglied des Präsidialausschuss Breitensport/Sportentwicklung des Deutschen Olympischen Sportbundes, Foto: privat
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