26 Prozent der C-Lizenzen und 17 Prozent der B-Lizenzen im Deutschen Tennis Bund sind auf weibliche Trainer ausgestellt. Im Spitzensportbereich wird es noch dünner, dort laufen nur 13 Prozent der A-Lizenzen auf Frauen. Hat das deutsche Tennis also hier ein Problem?
Die oben genannten Zahlen zeigen vor allem: Je höher das Leistungsniveau, desto niedriger die Zahl der Frauen in Trainerpositionen. Und das ist in vielen anderen Sportarten genauso. Laut Deutschem Olympischen Sportbund sind nur rund 19 Prozent der A-Lizenzen auf Frauen ausgestellt.
Das Problem des Frauenmangels im Trainerbereich ist also nicht tennisspezifisch, für die Verantwortlichen im Deutschen Tennis Bund dennoch relevant. DTB-Ausbildungsleiter Guido Fratzke: „Selbstverständlich wünschen wir uns ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern im Trainerberuf. Insbesondere im Leistungssportbereich sprechen wir häufig ehemalige Spielerinnen an und ermutigen sie zum Absolvieren der Trainerlizenz. Wir merken aber auch, dass das alleine nicht ausreicht. Frauen in diesem Berufsbild sind quer durch alle Lizenzstufen unterrepräsentiert.“ Warum also ergreifen nicht mehr Frauen den Trainerberuf im Tennis? Die Gründe dafür sind vielschichtig.
Erste Hürde Trainerausbildung
Die erste Hürde für viele Frauen ist die Trainerausbildung, in der sie – zumindest ab der B-Trainer-Lizenz – häufig eine von wenigen weiblichen Anwärterinnen in einem Lehrgang sind und somit unter einer besonderen Beobachtung stehen.
„Als Frau muss man erst einmal zeigen, dass man überhaupt spielerisch gut genug ist und mithalten kann“, sagt Lisa-Marie Brunnemann. Die 25-jährige A-Trainerin spielte unter ihrem Mädchennamen Mätschke auf dem ITF-Circuit und in der Damen-Bundesliga. „Meine sportliche Karriere war in der Ausbildung sicherlich hilfreich, trotzdem war es ein harter Kampf um Anerkennung. Professioneller Frauensport wird oft nicht wertgeschätzt, egal, wie erfolgreich man war.“
Doch nicht nur die sportliche Befähigung, auch fachliche Kompetenz wird tendenziell Männern eher zugeschrieben als Frauen. DTB-A-Trainerin Nina Nittinger ist es auch schon passiert, dass sie bei Lehrgängen in Frage gestellt wird. „Ich wurde schon des Öfteren von Teilnehmern gefragt, ob ich überhaupt eine Ahnung vom Tennis hätte oder ob ich Tennis spielen könnte. Wenn ich dann erzähle, was ich schon alles gemacht habe, werden sie jedoch sehr schnell ruhig“, so die 44-Jährige, die unter anderem bei Swiss Tennis als Ausbilderin arbeitet. „Es hat auch schon Junioren gegeben, die nicht mit mir trainieren wollten, weil ich eine Frau bin. Das hat dann aber eher etwas mit der Einstellung von den Kindern oder den Eltern zu tun als mit der Fachkompetenz. Insgesamt bin ich in der Schweiz sehr toll aufgenommen worden und fühle mich unter den überwiegend männlichen Kollegen sehr wohl.“
Auch eine erfahrene Ausbilderin wie Katrin Sturm musste sich ihr heutiges Standing erst erarbeiten. „Am Anfang habe ich mich schon gefragt, wie es als Frau ist, die meist männlichen Lehrgangsteilnehmer auszubilden“, erzählt sie. „Wenn die aber merken, dass man etwas kann, dann hat man es vielleicht sogar ein Stück weit leichter.“ Die 53-jährige DTB-A-Trainerin arbeitet seit 27 Jahren im Bayerischen Tennis-Verband und hatte von Anfang an die Unterstützung ihrer Kollegen. Dazu kommt, dass sie mit den Jahren an Souveränität gewonnen und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Diese Robustheit hilft ihr im Job: „Ich weiß, ich bin in einem Männergeschäft. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet.“ Angehende Trainerinnen unterstützt Sturm mit viel Empathie: „Ich sage ihnen immer: Ich bin ja auch noch da, dann sind wir doch schon mal zu zweit!“
Vereine suchen universell einsetzbare Trainer
Wer als Frau dann seine Lizenz in der Tasche hat, der muss sich bei der Jobsuche oft doppelt anstrengen. Denn gerade in kleineren Vereinen werden oft Trainer gesucht, die von der 1. Herrenmannschaft über die Junioren bis zu den Senioren und Bambini alles unterrichten können.
„Männer sind ein bisschen universeller einsetzbar“, weiß Eva Birkle-Belbl, die mit ihrem Mann in Freiburg eine Tennisschule betreibt und für die Einsatzplanung von fast einem Dutzend Trainerinnen und Trainer verantwortlich ist. „Um eine Oberliga-Mannschaft bei den Herren zu trainieren, muss man schon sehr ordentlich gespielt haben. Spielfähigkeit ist zwar nicht das alleinige Kriterium, aber das macht es schon leichter.“
Die 42-Jährige selbst versucht daher, ihre Trainer – Männer wie Frauen – möglichst zielgruppengerecht und nach deren Stärken einzusetzen. „Meine Erkenntnis ist, dass es viele Coaches gibt, die sich in einem gewissen Segment besonders wohlfühlen und dort dann auch besonders gute Erfolge haben. Wenn man diese Kompetenzen richtig steuert, wird er oder sie auch mehr wertgeschätzt.“
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Besetzung von Trainerpositionen mit Frauen ist in den Augen der A-Trainerin eine fundierte Ausbildung, denn: „Bei Männern wird einfach nicht so viel hinterfragt, da wird die Kompetenz vorausgesetzt. Deswegen ist es als Frau wertvoll, wenn man bestimmte Ausbildungsschritte nachweisen kann.“ Diese Erfahrung hat auch Lisa Brunnemann gemacht: „Ich war nicht nur neu im Verein, sondern auch noch jung, weiblich und ehrgeizig. Das hat natürlich hier und da für Skepsis gesorgt. Doch durch meine A-Lizenz war der fachliche Respekt vorhanden.“
Neben Fachkompetenz könne aber auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen nicht schaden, glaubt Birkle-Belbl: „Man sollte in diesem Job als Frau mit einem ganz guten Selbstvertrauen versorgt sein oder es sich zumindest aneignen.“ Männer hätten es alleine aufgrund der körperlichen Präsenz einfacher, als Respektsperson betrachtet zu werden. Frauen würden häufig als zurückhaltend wahrgenommen. Letztendlich sei das Auftreten aber auch eine Frage der Persönlichkeit und der Erfahrung. „Nicht gleich aufgeben. Gerade junge Frauen müssen sich in der Rolle oft erst finden“, rät die Freiburgerin.
Frauen zwischen Beruf und Familie
Hat sich eine Trainerin in einem Verein etabliert, stellt sich ab einem gewissen Alter die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
„Es ist ein Spagat, denn in unserer Branche arbeitet man, wenn andere frei haben“, sagt Eva Birkle-Belbl, die eine Tochter hat. „Da muss man sich ein Umfeld schaffen, das einem entweder diese Arbeitszeiten ermöglicht oder man muss eine Lösung finden, wie die Stunden trotzdem abgedeckt werden können. Aber ohne Flexibilität geht es nicht.“
Das sieht auch die zweifache Mutter Nina Nittinger so, die vor der Geburt ihrer Töchter auch einige Jugendkader betreute: „Bei der ersten Schwangerschaft habe ich bis zum neunten Monat auf dem Court gestanden und habe es durchgezogen. Ich bin nach der Babypause dann wieder eingestiegen mit dem, was ging. Heute arbeite ich so, wie es die Familiensituation zulässt.“ Als Manko sieht sie dies aber nicht: „Ich genieße die Zeit mit den Kindern und freue mich auch, wenn ich auf dem Court sein kann“, berichtet Nittinger, die in dieser Hinsicht die große Flexibilität ihres Jobs sehr schätzt.
Nicht nur während oder kurz nach der Schwangerschaft ist der Trainerberuf für Frauen körperlich eine Herausforderung: „Ich hatte durchaus gesundheitliche Bedenken, da ich meine eigene Tenniskarriere wegen einer Verletzung aufgeben musste“, erzählt Nittinger. „Dann war ich plötzlich als Trainerin mehr auf dem Platz als vorher als Spielerin. Und mit sehr guten Spielern wird es auch anstrengend, gerade im Einzeltraining. Das Pensum dann um die zehn Stunden am Tag über mehrere Jahre – da ist man echt am Limit. Insofern hat mir die Auszeit nach der Geburt körperlich sogar sehr gutgetan.“
Junge Spielerinnen profitieren von Trainerinnen
Auch wenn es sich sicherlich nicht verallgemeinern lässt, so liegen die Stärken von weiblichen Trainern häufig auch im pädagogischen Bereich. „Meiner Meinung nach profitieren gerade die kleinen Kinder von Frauen als Ansprechpartnerinnen. Diese Altersgruppe braucht jemanden, der einfühlsam ist. Damit kann man die Kinder viel besser zum Sport bringen und sie auch halten“, sagt Nina Nittinger. Und wenn aus den Mädchen Teenager werden, dann ist das weibliche Fingerspitzengefühl gefragt, da sind sich alle einig. „In dieser Lebensphase gibt es bestimmte Themen, bei denen sich die Mädels leichter tun, Frauen anzusprechen“, sagt Katrin Sturm. „Das Wichtigste ist aber, dass Spieler und Trainer zusammenpassen und sich gegenseitig vertrauen.“
Das kann auch Eva Birkle-Belbl unterschreiben: „Männer können genauso einfühlsam sein, bei Frauen ist das vielleicht ein bisschen natürlicher. Umgekehrt ist es auch wichtig, mal klar zu machen, dass auf dem Platz bei aller Empathie auch gearbeitet werden muss.“
Für weibliche Trainer hat sie noch eine weitere Zielgruppe ausgemacht – die Erwachsenen und die Wiedereinsteiger: „Da muss viel kommuniziert werden und es muss die richtige Lernstrategie individuell angepasst werden. Gerade Wiedereinsteigerinnen mittleren Alters wünschen sich oft Frauen als Trainer, weil sie da weniger Scheu haben. Da finde ich es fast noch offensichtlicher als im Jugendbereich.“
Unterstützung an der Basis ist wichtig, um Frauen für den Beruf zu gewinnen
In einem der größten DTB-Landesverbände hat man schon lange im Blick, dass die Unterstützung der weiblichen Traineranwärter wichtig ist.
Hans-Jürgen Mergner ist Verbandstrainer und Chefausbilder im Württembergischen Tennis-Bund und unterstützt schon bei den Grundlagenausbildungen, dass möglichst viele Frauen dabei sind. „Wir müssen an der Basis anfangen. Wenn wir dort ausreichend C-Trainerinnen ausbilden und zum Weitermachen ermutigen, steigen auch die Chancen für mehr B- und A-Trainerinnen und auch für weibliche Ehrenamtler und Ausbilderinnen“, sagt der 62-Jährige.
Gerade die Frauen, die dann auch in höheren Positionen arbeiten, hätten einen Vorbildcharakter für die nächste Generation. „Wir Ausbildende haben da eine wichtige Funktion. Wir müssen die Frauen unterstützen und für eine gute Atmosphäre sorgen“, sagt Mergner. Er teilt die Gruppen auf dem Platz bewusst gemischt ein, um gute Lernvoraussetzungen zu schaffen und damit sich die Frauen unbefangen bewegen und beteiligen könnten. Von reinen Männergruppen hält Mergner wenig: „Das ist dann eine komische Stimmung. Frauen bringen mehr Empathie mit, reden anders, hören mehr zu. Insgesamt ist die Stimmung in gemischten Gruppen locker und konstruktiv.“
Eva-Birkle-Belbl bestätigt diesen Eindruck. Sie hatte trotz der anspruchsvollen Ausbildung kein Problem, im Gegenteil: „Schon in der Ausbildung waren die Männer sehr kollegial. Die Stimmung war gut, die Atmosphäre locker. Und in meinem Trainingsalltag erlebe ich das auch so.“ Verbesserungsmöglichkeiten sieht sie dennoch: „Ich glaube, wenn man differenzierte Einsatzgebiete in der Ausbildung definiert, dann wäre für manche Frau die Hürde geringer, diesen Weg zu gehen.“
Frauen da einsetzen, wo sie zum Vorbild werden können
Trainerinnen müssen also da eingesetzt werden, wo sie ihre weiblichen Stärken besonders gut einsetzen können. Das nehmen die Vereinsmitglieder dann genauso wahr wie die Funktionäre. Trainerinnen können dann genau wie ihre männlichen Kollegen zu Vorbildern werden.
Für Eva Birkle-Belbl hat sich der nicht immer leichte Weg gelohnt. Sie ist zufrieden in ihrem Beruf, unter anderem, „weil man sehr unmittelbar ein positives Feedback bekommt, denn man begegnet den Menschen in ihrer Freizeit. Die freuen sich über Leistungsfortschritte und körperliche Betätigung. Das macht mir am meisten Spaß.“ Lisa Brunnemann zieht ebenfalls ein positives Zwischenfazit: „Trotz einiger Stolpersteine, die man als Frau in diesem Job in den Weg gelegt bekommt, bin ich froh, ihn gegangen zu sein. Jeder kann schaffen, was er will und ich bin davon überzeugt, dass viele Frauen das Zeug dazu haben, in jedem Bereich gut zu sein, wenn sie daran glauben.“
Ihre Kollegin Katrin Sturm aus Bayern sieht es ähnlich: „Wer Spaß an der Arbeit hat, wird zufrieden und am Ende meist auch erfolgreich sein – vollkommen unabhängig vom Geschlecht“, sagt Katrin Sturm. „Ich glaube, dass der Einzige, der einem im Weg steht, man selber ist. Das ist meine Erfahrung.“
(Quelle: Deutscher Tennis Bund)