Die Anzahl der Befreiungsanträge aus religiösen Gründen für Schülerinnen nicht nur aus der Türkei würde in letzter Zeit stetig zunehmen. In vielen Fällen gäbe es ein organisiertes Vorgehen. Es würden schon vorgefertigte Schreiben verwendet.
Ilse Ridder-Melchers, Vorsitzende des Bundesausschusses Frauen im Sport, wies in ihrer Eröffnungsrede darauf hin, dass sich besonders muslimische Mädchen als religiös-kulturellen Gründen vom gemeinsamen Sportunterreicht befreien ließen. Leider wisse man wenig über die Häufigkeit solcher Befreiungsanträge und darüber, wie oft Schulen auch getrennten Sportunterricht anbieten, um diesen Anträgen den Boden zu entziehen. "Hier müssen die Schulminister tätig werden, denn gerade der Schulsport kann alle erreichen - auch alle Migrantinnen".
Das Forum wurde im Zusammenarbeit mit der Führungs-Akademie des Deutschen Sports und der Friederich-Ebert-Stiftung durchgeführt. Aus der Sicht von Dr. Seidenstücker seien nicht nur Schulleitungen, sondern auch die zuständigen Sportlehrer mit der Bewertung dieser Fälle überfordert. Gerade in den vergangenen vier Jahren habe diese Vorgehensweise zugenommen.
Die Berliner Schulbehörde hat bereits reagiert, wie Berlins Bildungssenator Klaus Böger als Gastgeber der Diskussionsveranstaltung im Rathaus Schöneberg verdeutlichte. Seit Juni dieses Jahres sei ein Erlass in Kraft, der alle Schülerinnen und Schüler verpflichtet, am Sportunterricht teilzunehmen, und eine Abmeldung aus religiösen Gründe nicht mehr erlaube. Nun noch medizinische Gründe würden akzeptiert.
Böger sieht in dem Vorgehen seiner Behörde keine Ablehnung der Religion. "Ich bin dafür Brücken zu bauen, denn wir müssen Respekt vor den anderen Menschen zollen", sagte Böger. Aber der Senator nannte die Integration als übergeordnetes Ziel, gerade in einer Stadt wie Berlin, die in einigen Bezirken wie Kreuzberg oder Wedding einen enorm hohen Ausländeranteil habe.
Durch den Erlass wurde für die Schulen zudem eine Berichtspflicht über solche Abmeldungen eingeführt. "Damit wird die Wirklichkeit noch nicht verändert, aber wir müssen Schranken setzen", sagte Böger. Auf Grund der Kürze der Zeit konnte Böger vor den über 70 Teilnehmern des Forums in Berlin noch keinen Erfahrungsbericht vorlegen. Auch eine Statistik gibt es noch nicht. Böger will nun über die Kultusministerkonferenz (KMK) herausfinden, wie die anderen Bundesländer mit solchen Befreiungsanträgen verfahren.
Gerade bei Mädchen und Frauen mit moslemischen Hintergrund hat sich in jüngster Zeit herausgestellt, dass sie von den Integrationsbemühungen nicht ausreichend erfasst wurden. In einer Studie hatte sich herausgestellt, dass sie auf Grund ihrer familiären Verpflichtungen kaum zum Sport treiben kommen, aber ein weitaus größeres Interesse am Sport bekunden. "Über den Schulsport können wir aber alle Mädchen erreichen", sagte Ilse Ridder-Melchers, Vorsitzende des DSB-Bundesausschusses Frauen im Sport, der gemeinsam mit dem DSB-Programm "Integration durch Sport" die Veranstaltung durchgeführt hatte.
Ridder-Melchers verwies mit Blick auf die Vorkommnisse in Frankreich mit gewalttätigen Ausschreitungen von Jugendlichen vornehmlich mit Migrationshintergrund auf die Notwendigkeit einer stärkeren Hinwendung zu den Migrantinnen und Migranten. "Wir wissen alle, dass die Situation in Frankreich und in Deutschland nicht vergleichbar ist. Aber nach einer Prognose sollen im Jahr 2050 16 Millionen Migrantinnen und Migranten in Deutschland leben", meinte sie. 30 Prozent aller Kinder hätten auf irgendeine Art und Weise einen Migrations-Hintergrund. "Hier gilt es gesamtgesellschaftlich zu handeln, der Sport alleine wird diese Aufgabe nicht schultern können".