Der DOSB hatte bei seiner Mitgliederversammlung in Frankfurt/Main das Thema Integrität des Sports aus gutem Grund als Schwerpunkt gesetzt. Zwei Jahre davor hatte die Mitgliederversammlung das Leitbild beschlossen, und darin heißt es: „Die Integrität des Sports ist unser höchstes Gut.“ Dieses Versprechen mit noch mehr Leben zu füllen, ist und bleibt ein vorrangiges Ziel des DOSB. Noch stärker und möglichst bis an die Basis muss die Erkenntnis durchdringen, dass die Bekämpfung von Angriffen auf die Integrität des Sports nicht etwa als zusätzliche, vielleicht sogar lästige Bürde zu betrachten ist, sondern schlicht und einfach zu den Kernaufgaben gehört, genauso wie sportfachliche Aktivitäten.
Der organisierte Sport muss einfach alles dafür tun, um den Wettbewerb vor Manipulationen jeglicher Art ebenso zu schützen wie seine Sportler*innen vor Gewalt und sexuellen Übergriffen. Wenn man schon vorher weiß, wie`s ausgeht oder wenn Doping die Chancengleichheit zerstört, verliert der Sport seine Grundidee und seine Attraktivität und damit seine Grundlage für die öffentliche Finanzierung. Wenn Eltern ihre Kinder dem Sport anvertrauen, dann müssen die Verantwortlichen alle Anstrengungen auf sich nehmen, damit dieses Vertrauen auch gerechtfertigt ist.
Papiere und Konzepte sind dafür eine wichtige Grundvoraussetzung, denn klare Regelungen und Richtlinien sind notwendig, um zu wissen, was richtig ist. Aber noch wichtiger ist das Tun: Reden und Handeln müssen übereinstimmen, und das gilt vor allem für Menschen in Führungspositionen, egal ob auf oder neben dem Platz. Das Wort „Vorbild“ mag ein altmodisches sein, aber es trifft genau den Kern. Die Werte des Sports müssen nicht nur immer wieder überall platziert, sondern vor allem (vor)gelebt werden. Wie sollen denn Jugendliche einsehen, dass sie sich beim Sport und auch im richtigen Leben an Regeln zu halten haben, wenn ihr Vereinsvorsitzender die Steuern hinterzieht?
Es geht um Glaubwürdigkeit, die der Sport leider teilweise auch verloren hat. An einigen Stellen durchaus zu Recht, aber an vielen auch zu Unrecht. Denn wie sagte Thomas de Maizière unter anderem in seinem Impulsvortrag bei der Mitgliederversammlung des DOSB? „Nicht jeder Sportfunktionär ist korrupt, nicht jeder Sportler ist gedopt.“ Es gilt eben, in allen Bereichen fair zu bleiben und nicht etwa alle Sportler*innen gleich unter Doping-Generalverdacht zu stellen, nur weil sie eine gute Leistung zeigen, oder grundsätzlich alle Funktionär*innen zu verdächtigen. Das Überdenken von Vorurteilen und die daraus folgende Konsequenz hat auch sehr viel mit Respekt und Fairness zu tun.
Das soll nicht heißen, dass es im Sport kein Fehlverhalten gibt. Natürlich gibt es das. Und an der Stelle muss selbstverständlich aufgedeckt und bestraft, also hart durchgegriffen werden. Gleichzeitig muss von vornherein so viel wie möglich dafür getan werden, dass Fehlverhalten möglichst verhindert wird. Der organisierte Sport hat sich in diesem Feld längst auf den Weg gemacht. In verschiedenen Feldern beim Thema Integrität sind nicht nur Programme, Handlungshilfen oder Regelungen entstanden, sondern auch viel mehr Bewusstsein.
Aber dieser Weg hat kein Ende – er muss konsequent immer weitergegangen werden. Der DOSB wird deshalb seine Arbeit mit den Mitgliedsorganisationen in den vier wichtigen Themen Good Governance, Anti-Doping, Prävention sexualisierter Gewalt und Bekämpfung von Spielmanipulation noch weiter intensivieren. Ziel ist eine weitere Bewusstseinsschärfung dahingehend, dass der Sport nur eine gute Zukunft hat, wenn er diese Herausforderungen auch annimmt und aktiv darauf reagiert.
Gestärkt werden muss eine Kultur des Hinsehens, der Offenheit und der Transparenz, eine Kultur des klaren Willens, Risiken zu erkennen, Fehlverhalten im besten Fall zu verhindern, aber eben auch zu erkennen und keinesfalls zu dulden.
Jede*r sollte dabei am besten bei sich selbst anfangen, ganz im Sinne dieses Satzes, den Thomas de Maizière bei der Mitgliederversammlung zitiert hat: „Wenn es ein Problem gibt, schau nicht als erstes aus dem Fenster, sondern schau in den Spiegel.“
(Autorin: Ulrike Spitz)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.